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nicht von der rationellen Arbeit, sondern erhoffte sie als eine Gabe des Himmels. So ging
der Pflanzenbau nach der vom Vater auf den Sohn vererbten Weise vor sich und als
Zweck wurde, über die Bestreitung des häuslichen Bedarfes hinaus, höchstens noch die
Befriedigung der örtlichen Bedürfnisse betrachtet.
Von der Art und Weise der Pflanzencultur unterschied sich ganz bedeutend die Vieh-
zucht oder richtiger: das Halten von Vieh, welches den ungarischen Landwirth schon etwas
mehr iuteressirte. Zu Pserde waren die Magyaren in dieses Land gekommen, zu Pferde
waren sie gewohnt die Geschäfte im Krieg und Frieden zu betreiben, so ist es denn
natürlich, daß die Vermehrung der Pferdezahl sie in erster Reihe beschäftigte. Sie ver-
mehrten jenes kleine, nicht edle, auch nicht hinreichend schöne, aber stramme, unermüdliche
und muthige orientalische Pferd, welches in manchen Gegenden des Landes noch jetzt zu
finden ist. Dieses sattelten sie, wenn sie ihre Beutezüge in fremdes Land machten; auf
diesem entkamen sie, wenn das Glück der Schlacht ihnen den Rücken wandte, auf diesem
zogen sie hinab vor Byzanz, dessen Thor unter dem magyarischen Streitkolben erdröhnte.
In der That muß jener Pferdeschlag unendlich zäh und schier unverwüstlich gewesen sein,
auf dem unsere Vorfahren die lange, vielumstrittene Heerfahrt der Landeseroberung zurück-
legten und hierauf besonders unter den Herzogen Zsolt und Taks von 907 bis 970, also
im Lause von 63 Jahren, 32 große Kriegszüge durchführten, welche von Constantinopel
bis zum Ocean, von Süditalien bis zur Nordsee fast alle Länder abenteuernd berührt haben.
Auch das Hornvieh haben die Magyaren wahrscheinlich bei ihrer Einwanderung
aus Rußland mitgebracht, und das mit hohen, schöngewundenen Hörnern geschmückte
„Zackelschaf", das auch in Südrußland heimisch ist, hat das magyarische Volk vermuthlich
schon auf der Wanderschaft nach der neuen Heimat begleitet. Thiere halten, das Leben
des Hirten führen und — kämpfen, war das Element des Magyaren; sein tägliches Brod
durch Feldarbeit gewinnen, behagte ihm weniger, und deßhalb fühlte er sich mehr nach
dem flachen Theile des Landes hingezogen, wo der Hirt ein leichteres Leben hatte, wo er
sein flinkes Roß, sein ansehnliches weißes Rind leichter züchten konnte.
Aber noch aus einem anderen Grunde mußte der Ungar das Vieh als seine eigentliche
Habe betrachten, denn wenn der Schreckensruf: „Die Tataren kommen!" durch das Land
scholl, schwang sich jeder wehrfähige Mann aufs Roß, das Vaterland zu vertheidigen, die
Greise, Frauen und Kinder aber flüchteten sich und das Vieh in Wälder und Gebirg.
War dann der verheerende Sturm vorbei, so kehrten aus Röhricht, Wald und Gebirge die
Entflohenen zurück, trieben ihr Vieh wieder herzu und begannen ihr Heim flugs wieder
aufzubauen.
Das ungarische Pferd wurde im Mittelalter für das Ausland nicht gekaust, denn
der gepanzerte und bewehrte schwere Reiter brauchte ein anderes stärkeres und schwereres
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Volume
- 5
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.41 x 22.5 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch