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Gleichzeitig, und mit gleichem Interesse für die Länder der Stefans-Krone, setzte,
um sich über die Kräfte, die dort für das Werk zur Verfügung stünden, zu orientiren, der
Kronprinz sich mit ungarischen Schriftstellern und Künstlern in Verbindung.
Ehe aber weitere Schritte geschahen, erklärte der Kronprinz, müsse er die Erlaubniß
und die Zustimmung seines kaiserlichen Vaters erbitten und er entwarf ein Promemoria
an Seine Majestät, das er den sämmtlichen bei ihm versammelten Herren mittheilte. Wir
sind in der Lage, dieses Mitte März 1884 an Seine Majestät gerichtete Promemoria
vollinhaltlich zu veröffentlichen.
Eure Majestät!
Die österreichisch-ungarische Monarchie entbehrt, trotz mancher guten Porarbeiten,
noch immer eines großen ethnographischen Werkes, welches auf der Höhe der gegenwärtigen,
wissenschaftlichen Forschung stehend, mit Zuhilfenahme der so sehr vervollkommneten
künstlerischen Reprodnctivnsmittel, anregend und belehrend zugleich, ein umfassendes Bild
unseres Vaterlandes und seiner Völkerstämme bietet.
Das Studium der innerhalb der Grenzen dieses Reiches lebenden Völker ist wohl
nicht nur für den Gelehrten ein hochwichtiges Feld der Thätigkeit, sondern auch von
praktischem Nutzeu für die Hebung des Gesammt-Patriotismus. Durch den Einblick in
die Vorzüge und Eigenthümlichkeiten der einzelnen ethnographische» Gruppen und in ihre
gegenseitige und materielle Abhängigkeit von einander, muß das Gefühl der Solidarität,
welches alle Völker unseres Vaterlandes verbinden soll, wesentlich gekräftigt werden.
Jene Volksgruppen, welche durch Sprache, Sitte und durch theilweise abweichende
geschichtliche Entwicklung sich von den übrigen Volksbestandtheilen abgesondert fühlen,
werden durch die Thatsache, daß ihre Individualität in der wissenschaftlichen Literatur des
Reiche« ihr gebührendes Verständniß und somit gewissermaßen ihre Anerkennung findet,
wohlthätig berührt werden; dieselben werden dadurch aufgemuntert, ihreu geistigen
Schwerpunkt in Österreich zu suchen. Es wäre daher gerade in unserem Vaterlande von
hoher Wichtigkeit, die Ethnographie und ihre Hilfswissenschaften zu betreiben, da sie, fern
von allen unreifen Theorien, allen Parteileidenschaften, das Material sammeln, aus dem
allein eine objective Vergleichnng und Abschätzung der verschiedenen Völker hervorgeht.
Dies ist bisher nicht der Fall gewesen. Wir dürfen uns nicht verhehlen, daß gerade
in Österreich die Ethnographie weit weniger gefördert wurde, als in England, Frankreich
und besonders in Rußland, obgleich wir jene Specialisten, welche dazu vollkommen
geeignet wären, vielleicht in reicherem Maße besitzen, als andere Staaten. Es erschienen
allerdings manche werthvolle Arbeiten über einzelne Völkerstämme; allein dieselben blieben
in gelehrten Fachschriften und in nahezu unbekannte» Lokalblättern meist nnverwerthet
liegen, oder waiiderten, leider nur allzu häufig, hinüber in die Publicationen des Auslandes.
Darum drängt sich mir der Gedanke anf, dieses reiche, für uns »och brach liegende
Material in Österreich zu vereinigen und dadurch die Schaffung eiues Werkes zu ermög-
lichen, welches innerhalb der Grenzen dieses Reiches dem wissenschaftlichen und künstlerischen
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Volume 6
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Oberösterreich und Salzburg
- Volume
- 6
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.03 x 24.86 cm
- Pages
- 650
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch