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Volksfeste nennen zu können. Dagegen hat das oberösterreichische Volk auch Festlichkeiten,
die vou weiten Kreisen her die Leute an diesen oder jenen Ort znsaimnenlocken, oder sie
erstrecken sich an gewissen Tagen nnd bei gewissen Veranlassungen mehr oder weniger ans
das ganze Land. Manche davon ruhen durchaus auf kirchlichem Boden, haben sich aber hier
oder dort in eigenthümlicher Weise ausgestaltet, weßhalb sie auch für unsere Betrachtung
des oberösterreichischen Volkslebens von Bedeutung sind.
Vom Junviertel aus, dem Lande der flinken Rosse, haben sich die Wettrennen als
rechte weltliche Volksfeste verbreitet. Im Winter übt man sie als „Goaßelfahreu" oder
„Schlittenrennen", im Sommer als „Trab-" oder „Sprungreiten". Nicht blos in Städten
und Märkten, nein, im Jnnviertel werden auch in gar manchem Pfarrdorfe derartige
Wettrennen abgehalten, und allenthalben üben sie auf das Volk dieselbe Zugkraft, so daß
vordem der Spruch Recht hatte: „ein Hängats, ein Firmats und ein Rennats"' seien der
Wirthe liebste Feste.
Ist irgendwo ein Goaßelsahren ^ oder Rennen angesagt, so strömen sie von allen
Seiten herbei, Alt nnd Jung, Mann und Weib, Arm und Reich. Zu Fuß auf alleu
Wegen und Stegen, auf allen möglichen und unmöglichen Fahrzeugen, mit Extrazügen der
Eisenbahn kommt schaulustiges Publicum. Jeder sucht sich einen günstigen Punkt an der
Rennbahn, um ja den Verlauf gut beobachten zu können, zwar nicht auf der eigens bei
dieser Gelegenheit errichteten Tribüne, denn diese ist für das Renngericht und für die
Honoratioren des Ortes reservirt, sondern auf Erdaufwürfen, auf Zäunen, auf Bäumen,
wo man auch kein Entree zu zahleu braucht. — Kopf an Kopf die ganze Rennbahn entlang
steht die Menge und harrt der Dinge, die da kommen sollen.
Drei Pöllerschüsse verkünden das Nahen des Zuges. Auf einem mit jnngen Fichten
umkränzten Schlitteu oder Wagen eröffnet denselben die Orts-Musikkapelle; in mehreren
Gespannen folgen das Renngericht, der Bürgermeister n. s. w, und hinter diesen die Wett-
fahrer oder -Reiter nach gezogenen Losnummern gereiht. So geht es langsam einmal um
die Rennbahn herum. Einer zeigt dem Andern die concurrirenden Persönlichkeiten und
deren schon mehr oder minder berühmte Renner, und bereits geht das Wetten ans die
mnthmaßlichen Sieger an.
Nim wird die Bahn freigegeben und dahin fliegen Roß und Reiter oder Roß und
Schlitten, als gälte es den Tod einzuholen. Laut grüßt das Publicum mit seinen Znrnsen
die fliilksteu Pferde. Brausende „Bravo!" „Wiäh!" und „Hü!" steigern den Wetteifer zum
Wahnsinn, spotteudes Lachen aber folgt denen, die zurückbleiben. Schon geht es zum
letzte» Male dem Ziele zu, der Beifall und die Zurufe werden zum Schreien und Toben.
' Eine Hinrichtung, eine Firmung und ein Pferderennen.
' „Goaßel" heißen die dabei benützten Schlitten, da deren Äufen iu Ziegenköpfen zu enden pflegen.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Volume 6
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Oberösterreich und Salzburg
- Volume
- 6
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.03 x 24.86 cm
- Pages
- 650
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch