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Stichel- und Spottreden, allerlei Neckereien fördern die Arbeit. Der ausgeraufte Flachs
wird sogleich in Bündel („Bürde") gebunden und nach Hause gefahren. Ist der letzte Acker
ausgerauft, beendet diesen Theil der Arbeit ein gemeinsames Juchzen im Doppelchor,
indem ein Chor in hoher Tonlage „Juh" schreit und der andere um eine Terz tiefer „H>>"
antwortet, was mehrere Male rasch hinter einander sich wiederholt, worauf beide Chöre
einstimmig mit langgedehntem Juhschrei schließen. Dann geht das „Rüffeln" an, so nennt
man das Abreißen der Samenkapseln des Flachses vom Stengel. Dazu hat mau zwei
Rüffelbäume, das sind Balken, in welche die Rüffelbretter, kammförmige eiserne Rechen,
befestigt sind. Diese zwei Balken werden einander gegenüber aufgestellt und fo viel als
„Rüffelbretter" an einem Stamme sind, stellen sich „Rüffler" zur Arbeit an. Da heißt es
nun tüchtig zugreifen, denn wer säumig ist, der hat Spottsprüche zu erwarten.
Bald findet sich an jedem Rüffelbaume ein lustiger Kumpan, der mit lautem
Lärmen die bekannten und unbekannte» Schwächen der versammelten Arbeiter „ausschreit"
und jedesmal alle Arbeiter auffordert, beizustimmen uud laut zu rufen: „Ja", was auch
jedesmal geschieht. „Bei der Rüffel ist Alles zu sagen erlaubt" — gilt als urwüchsiger
Rechtsgrundsatz, und wer den „Rüfflern" zu Gesicht kömmt, wird, wer er auch sein mag,
„ausgeschrien". Dabei setzt es manchen witzigen Spruch, aber auch derbe, grobe, bittere
Worte. Niemand jedoch hält sich dagegen auf; er käme auch dadurch nur vom Regen in
die Traufe. Während die Arbeit flott vorwärts schreitet, die Flachskapseln uiederrieselu,
die Rüffelbretter surren unter dem Einhacken des Flachses und lauter Lärm nebenher
geht, schafft driuueu die Hausfrau, um die Jause, aus einer Art Topfenkäse bestehend,
herzurichten und das Rüffelmahl zu kochen. Dazu gehören zwei Sorten Brein, Hirse
in Milch gekocht und dann in großen Fladen abgekühlt und fest geworden. Noch ist die
Bäuerin mitten in der Arbeit, da schleicht sich ein flinkes Bürfchchen ein und hascht ihr
von dem „Brein" weg, wenn sie ihm denselben nicht etwa freiwillig heimlich zusteckt. Mit
dieser Beute, die er in ein Tüchlein geborgen hat, tritt er keck zur Rüffel hin, spricht
anfangs von harmlosen Dingen, beginnt aber bald die Arbeiter zu ueckeu und ihnen zu
zeigen, daß er ihnen den „Brein" gestohlen habe. Alsbald aber muß er sich die Gelegenheit
zu entspringen erspähen. Er muß schnell auf den Füßen sein, sonst ist es um ihn geschehen.
Denn wird er eingeholt, so führt man ihn im Triumph zurück, bindet ihn an der Rüffel
fest, schwärzt ihm Hände uud Gesicht mit Ruß und dann wird er „ausgeschrien", was Platz
hat; auch kömmt er sobald nicht los. Sie umHeulen und umjuchzen und verspotten ihn wie
etwa die Rothhäute ein „Blaßgesicht", das sie gefangen eingebracht haben. Zum Scalpireu
und Lebendigverbrennen kömmt es aber doch nicht, wenn auch nicht viel davon fehlt.
Den Schluß macht das Rüffelmahl. Es ist über der Arbeit schon Nacht geworden;
endlich ist man zu Ende und nun geht es im chormäßigen Juchzen in die Stube. An
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Volume 6
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Oberösterreich und Salzburg
- Volume
- 6
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.03 x 24.86 cm
- Pages
- 650
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch