Page - 234 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Oberösterreich und Salzburg, Volume 6
Image of the Page - 234 -
Text of the Page - 234 -
234
jene Leblosigkeit, hinter welcher der Liebhaber Würde und Maß sehen will, bis der indivi-
dnalisirende Realismus auch auf das Pergament einzieht und die letzte» Miniatoren ganz
unter seiner Herrschaft malen. Uns mnthen besonders jene von der Bauchung eines bnuteu
Buchstabens umschlungenen Mönchsgestalten an, welche, den Blick zum Himmel gewendet
und wie eine Inspiration abwartend, vor einem Schreibpulte uud einem gewaltigen
Folianten sitzen, das Schreibrohr in der Rechten, das Rasur- oder Schabmesser in der
Linken, — Gestalten, in welchen sich offenbar die Künstler selbst schilderten. Unverkennbar
klingen die oberösterreichischen Miniaturen an die weit verbreitete Kunstübung Baierns
an, wie denn die Abhängigkeit von Passau kein anderes Verhältniß ermöglicht hätte.
Das hier reprodncirte Initiale gehört einer in Kremsmünster um 1300 geschriebeneu
heiligen Schrift an und schildert Petri Brief an die kleinasiatischen Juden-Christen mit
wahrhaft kindlicher Naivität.
Enge verknüpft mit dem kirchlichen Leben wie die Miniatur beginnt im Lande ob
der Enns in früher Zeit die Glasmalerei ihr buntes Farbenspiel an die Fenster zu zaubern,
zugleich die andächtige Abgeschlossenheit des Jnnenranmes fördernd. Sie blühte im Stifte
Kremsmünster. Unter dem Abte Friedrich von Eich (1273 bis 1335), der den gothischen
Ban vollendete, schmückte Frater Hertwik, Cnstos der Stiftskirche, die Fenster derselben
mit Glasgemälden (vitris pulekris), sowie Meister Wolfhart — Glaser und Maler — ein
Zögling von St. Florian, diese Stiftskirche unter Heinrich II. (1313 bis 1321) mit bunten
Glasfenstern versah.
Leider haben sich von der damals ebenso verbreiteten wie berühmt gewordenen Kunst
der Glasmalerei unserer Vorfahren nur verhältnißmäßig wenige Reste erhalten. An Ort
ünd Stelle, nämlich in den ursprüngliche» Fenstern, kennen wir eigentlich nur jene prächtigen
Glasgemälde des Laienbruders Hertwik aus den Jahren 1273 bis 1315, welche drei Chor-
fenster der Pfarrkirche in Wels ausfüllen. Sie enthalten 81 figürliche Darstellungen: die
vier Evangelisten, Bilder aus der Leidensgeschichte, solche aus dem alteu uud neuen
Testamente. Die Compositiou ist stilistisch strenge, die Massenvertheiluug eine glückliche,
was wesentlich mit dem relativ kleinen Maßstabe der Figuren zusammenhängt; das Colorit
ist zwar im Ganzen tief, aber doch überaus feurig. Sonst sind nns nur Überreste, Bruch-
stücke oder in neuerer Zeit wieder eingesetzte Glasgemälde bekannt; so in Pesenbach, Lorch,
Steyr n. s. w. hat ja allenthalben die Renaissance die bunten Gläser beseitigt, um größere
Lichtmengen in die Räume fließen zu machen. Dagegen hat die Pietät des Stiftes
St. Florian die übrig gebliebenen größeren Theile der in der Reformationszeit zerstörten
Fenster aus der Pesenbacher Kirche in seine Kunstsammlung gerettet und zu drei großen
Fenstern vereinigt, von denen uns jenes mit dem Erlöser besonders interessant scheint.
Alle drei Fenster sind in Zeichnung und Manier von den Werken Hertwiks wesentlich
back to the
book Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Oberösterreich und Salzburg, Volume 6"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Volume 6
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Oberösterreich und Salzburg
- Volume
- 6
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.03 x 24.86 cm
- Pages
- 650
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch