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Schachteln beispielsweise roth grundirt, sodann mit mehreren Bliiinenornamenten ans
freier Hand, ohne Anwendung einer Patrone verziert, endlich mit einer weißen Tupf-
bordüre versehen; so konnte es selbst einem hervorragenden österreichischen Ethnographen
widerfahren, daß er, aus dem Orient nach Wien zurückkehrend, einen derartigen bunten
Schachteleinsatz als besondere südslavische Originalität mit herauf brachte, ohne zu ahnen,
daß diese kostbare Merkwürdigkeit in nächster Nähe, bei Gmnnden, von biederen Deutschen
in Massen verfertigt wird. Den Vertrieb der Waaren besorgen einige wenige Kaufleute,
in deren Händen das ganze Geschäft liegt und von denen die Arbeiter in einer mitunter
recht drückenden Abhängigkeit gehalten werden. Das Arbeitsholz wird den Schnitzern von
der Forstverwaltung zu ermäßigten Preisen geliefert, und diese hat ihre rechte Noth damit,
denn die Abgabe von Schnitzholz behindert vielfach den Forstbetrieb und schmälert die
Forstrente, ohne doch den Hausindustriearbeitern merklich zu nützen; denn infolge ihrer
Abhängigkeit vou den „Verlegern" kommt der Preisnachlaß beim Rohstoff meist nur den
letzteren zu statten.
Die Viechtaner Schnitzer bringen es zumeist zu einer erstaunlichen Gewandtheit in
einzelnen Handgriffen, zu rasfinirten Vereinfachungen des Verfahrens, auch mitunter zu
großer Genauigkeit der Arbeit. Nur so erklären sich die überraschenden Mengen und
niedrigen Erzeugungskosten mancher Artikel. Aber das Handwerksgeräth und die ganze
Technik sind im Allgemeinen durchaus veraltet, der Formensinn wenig oder gar nicht
entwickelt und darum die meisten Erzeugnisse plump und nngefüg und ohne rechten
Geschmack. In allerjüngster Zeit ist aber eine Neubelebung und theilweise Umgestaltung
der alten Holz- und Spielwaaren-Hausindustrie angebahnt worden, indem zu Neunkirchen,
im Herzen der Viechtau, eine Schnitzerschule errichtet wurde, die zunächst die technische
Verfahrnngsweise der Holzarbeiter verbessern und ihren Geschmack läutern soll, in Zukunft
jedoch, wenigstens bei den besseren Erzeugnissen, dahin gelangen dürfte, anch den Vertrieb
der Waaren im Interesse der Arbeiter direct zu gestalten.
Eine uralte Industrie, die einst über ganz Oberösterreich verbreitet war, sich aber in
größerem Umfange heutzutage nur mehr in dem nördlich von der Donau gelegenen Theile
des Landes (dem früheren Mühlviertel) erhalten hat, ist die Leinenweberei. Die feinere
Waare wird daselbst in drei Fabriken zu Haslach, Lichtenau und Helfenberg erzeugt; in
denselben wird jedoch nur ein verhältnißmäßig kleiner Theil der Arbeiter beschäftigt,
während die weitaus größere Zahl zu Hause im Stücklohn arbeitet und die gewöhnliche
Waare erzeugt. Der Weber, welcher meist ein kleines Häuschen und einigen wenigen Grund
besitzt, der ihm zum dürftigen Unterhalte Gemüse und Kartoffeln liefert, erhält das Garn
sammt Zngehör, oft auch den Webstuhl von der Fabrik und liefert die gewebte Leinwand
dahin gegen den vereinbarten, bisweilen recht kargen Lohn ab. Auf gleiche Art beschäftigen
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Volume 6
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Oberösterreich und Salzburg
- Volume
- 6
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.03 x 24.86 cm
- Pages
- 650
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch