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Saalfelden. Sie tragen die Merkmale des Überganges an sich: auf einem kräftigen,
meist schon im Spitzbogen eingewölbten Unterbaue erhebt sich der Thurm vierseitig
ohne Verjüngung in Geschosse getheilt mit romanischen Lisenen, Bogenfriesen und
gekuppelten Schallfenstern. Diese schön gegliederte romanische Fensterbildung hielt man
sogar noch durch die ganze Zeit der Gothik hierzulande mit Vorliebe fest.
Sollen wir zum Schlüsse noch einen Blick auf die romanische Sculptur und
Malerei werfen, die als Schwesterkünste mit der Architektur Hand in Hand zn gehen
pflegen, so gibt es hierüber wenig zu sagen. Die hoch gesteigerte Bauthätigkeit Salzburgs
im frühen Mittelalter läßt sicher auch auf einen entsprechenden Stand jener verwandten
Kunstzweige schließen, zumal die Übung der Künste dazumal fast ausschließlich in geistlichen
Händen lag; allein von ihren Werken, die dem Zahne und Wechsel der Zeit leichter unter-
liegen, ist die auf uns gekommene Erbschaft höchst gering. Sie reicht nicht hin, um daraus
ein Gesammtbild zu gewinnen, zumal wir von dem Wenigen, was noch vorhanden ist,
weder den Ursprungsort noch den Meister kennen. Auch hier fühlt man insbesondere die
Lücke, die der Abbruch des alten Domes gerissen hat.
Der dekorativen romanischen Scnlptnren in Capitälen, Friesen nnd dergleichen
haben wir bei den betreffenden Bauwerken schon kurz erwähnt. Bon figürlicher Bildnerei
nehmen das erste Interesse die Madonnenstatuen in Anspruch, welche Tradition und
Volksglaube als Steingußwerke des knnstgeübten salzburgischen Erzbischoss Thiemo
(1090 bis 1101) bezeichnen. Die schönste nnd größte derselben prangt in Gold gefaßt auf
einem Seitenaltare der Stiftskirche St. Peter, eine beträchtlich kleinere, aber nicht minder
schöne besitzt als verehrtes Gnadenbild die Pfarrkirche Altenmarkt im Pongau; auch in
anderen Kirchen unseres Landes (Mülln, Maxglan, Großgmein, Jrrsdors, Radstadt) wie
der Nachbarländer begegnet man solchen „Thiemonischen" Marienstatuen. Sie stellen
sämmtlich die Madonna in stark ausgebeugter Haltung stehend als Gottesmutter mit dem
Kinde auf dem Arme dar. Die neuere technische und künstlerische Untersuchung, so weit
eine solche bis jetzt stattgefunden, bestätigt weder den Steinguß noch das Thiemonische
Alter; nach ihrem allerdings noch nicht gänzlich abgeschlossenen Ergebnisse sind die Figuren
aus einer cementartigen Steinmasse nicht gegossen, sondern mit freier Hand geformt nnd
Werke des XIII. bis XV. Jahrhunderts. Die vorzügliche Arbeit in Ausdruck und
Gewanduug, die bei den obigen zwei Statuen zu hoher Anmuth und Würde sich steigert,
spricht in der That sofort für ein jüngeres Alter, obwohl deren Gesamintcharakter noch
vorwiegend romanisch ist. Die angeblich gleichfalls Thiemonische Madonna zn Großgmein
trägt sogar auf dem Sockel die Jahreszahl 1473. Möglich immerhin, daß der Ursprung
dieser ehrwürdigen und interessanten Bildwerke auf Thiemo, der ja ein Schüler des kunst-
berühmten Klosters Hirsau war, zurückreicht.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Volume 6
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Oberösterreich und Salzburg
- Volume
- 6
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.03 x 24.86 cm
- Pages
- 650
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch