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den gothischen Grabsteinen ähnlichen Marmorplatten, welche an den Wänden des Chores
und Schiffes vertheilt sind. Jede Figur hat über sich eine architektonische Bekrönnng, zu
Fiißeu aber einen der zwölf Sätze des apostolischen Glanbenssymbolums nach der im
Mittelalter beliebten sinnigen Darstellungsweise. Der künstlerische Werth ist ungleich und
deutet auf verschiedene Hände; neben hoher Schönheit findet sich auch viel Derbes uud
Ungelenkes iu Zeichnung und Ausführung. Sämmtliche Gestalten aber bringen durch
lebenskräftige Züge uud scharfe Judividualifirung den Realismus der Spätgothik mächtig
zum Ausdruck. Ihr ernster Kreis in dem engen Raume übt eine ergreifende Wirkung, die
gegenwärtig nur durch die trostlos weiße Tüuche der übrigen Flächen nnd die zopfig
modernifirte Einrichtung geschädigt wird.
Daß die Scnlptnr in Holz, die Schnitzkunst, ein Lieblingskind der Gothik, in
Salzburg eifrige Pflege gefundeu uud eiueu hoheu Grad der Blüte erreicht hat, darf
bei der großeu Menge gothischer Kirchenbauten, die wir oben kennen gelernt, nicht
bezweifelt werden. Ihre innere Ausstattung mit Flügelaltären, Chor- und Betstühlen ?c.
nahm ja vorzugsweise deu Holzschnitzer in Anspruch. Nicht eben viele, aber bedeutsame
Überreste davon blieben unserer Zeit erhalten. Einige derselben, soweit sie dem Bereiche
der religiösen Knnst angehören, brachten wir schon mit der betreffenden Kirche zur Sprache.
Auch der prachtvolle» Holzornamentik der Fürstenzimmer auf Hoheusalzburg, iu Gold
und Farbe prangend, wurde bereits gedacht. Hier fei uur noch auf das städtische Museum
Caroliuo-Augusteum hingewiesen, welches namentlich in gothischen Schnitzwerken kirchlicher
und profaner Bestimmung, in Altarresten, Reliefs, Heiligenbildern, Schränken und
dergleichen eiue ausehuliche Sammluug verwahrt. Die erste Stelle darunter behauptet
der große in Gold gefaßte Tragschrein aus der Bürgerspital-Pfarrkirche,
gewöhnlich, obwohl mit zweifelhaftem Rechte, als Reliquienschrein bezeichnet, ein Meister-
werk hohen Ranges aus der bessereu Zeit der Gothik uud dazu ein höchst selten gewordenes
Gebrauchsstück des mittelalterlichen Cultus. Er zeigt die Gestalt eines anf verhältnißmäßig
geringer Basis hoch aufsteigenden Hanfes mit Strebepfeilern und Giebeldach, aus dessen
vorderer Schmalseite ein Erker, das reizendste Stück des Ganzen, ausspringt. Sämmtliche
Flächen siud in zierlichem Maßwerk, jedes Feld mit wechselnder Zeichnnng filigranartig
durchbrochen, und gestatten den Blick in den Jniicnranm. Das herrliche Schnitzwerk hat
in Österreich eineu einzigen, an Knnstvvllendnng freilich noch überlegenen Rivalen in
dem berühmten Schreine der Pfarrkirche Möchling in Kärnten.
Wir können, bevor wir die gothische Scnlptnr verlassen, nicht umhin, auch hier
wieder zum Schlüsse einen kurzen Seitenblick auf die baierifcheu, einstmals salzburgischen
Nachbarorte Berchtesgaden, Laufen und Reichenhall zu werfen. Die schönen gothischen
Stiftskirchen daselbst erfreuen sich eines Reichthums au Sculptureu gleichen Stiles in
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Volume 6
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Oberösterreich und Salzburg
- Volume
- 6
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.03 x 24.86 cm
- Pages
- 650
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch