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die zahlreichen Ortschaften, die vielen verstrenten Gehöfte verleihen dein Thale einen
freundlichen Charakter.
Die baltische Flora umzieht die Gegend mit ihrer wuchernden Fülle, die Niederungen
mit ihren Gestrüppen und Heidepflanzen und die Hänge mit ihren schlanken Nadelwäldern.
Um deu Charakter derselben kennen zu lernen, klimmen wir oberhalb des Schlosses
Friedstein zum sogenannten Jungfernsitz empor, dem Felsenkegel, der hier den waldigen
Abhang krönt. Steil zieht sich der kiefernbestreute Fußweg zwischen den Waldbäumen
empor. Erst hoch oben entfalten die mächtigen Stämme ihre weiten in einander greifenden
Äste, so daß man einen hochgewölbten Dom über sich zu haben glaubt, in den das Licht
nnr spärlich und ehrfurchtsvoll erbebeud einzudringen wagt. Am Boden aber zwischen den
zahlreichen größeren und kleineren Felsblöcken, über den Trümmern niedergestürzter
Baumriesen entfaltet sich tausendfältiges neues Leben, von wuchernden Moosen mit den
überraschendsten Coutrasteu in der Farbe, von kühn sich verschlingenden Gewächsen. Au
Lichtungen, wo Menschenhand oder der unerbittliche Wind der Sonne einen Einblick
geschafft, da breitet sich zwischen den Baumstrünken das dichte Heidelbeerkraut, höher findet
man auch die Alpenrose, dazwischen aber schießen Farrne empor, bald in zierlicher Form,
bald zur abenteuerlichsten Größe sich entfaltend. So erreicht mau die Höhe. Bevor man auf
deu Felsen hinaussteigt, der nach vorne grimmig uud steil im Waldesdunkel abfallt, von
rückwärts aber von den hinan sich schlängelnden Bäumen bezwungen und vom Wachsthum
überwuchert sich leicht erklimmen läßt, hat man einen reizenden Ansblick auf das Thal.
In einem Nahmen von Felsen und knorrigen Bäumen erblickt man das tief unten liegende
Thal und die stolzen Höhen, die es begrenzen. Vollständig wird das Bild, wenn man den
Felsen selbst erreicht, der eine Art Sitz bildet inmitten der Tannenwipfel, die ringsum au
ihm emporstreben. Nach der Volkssage haben hier die Waldjungfern bei ihrem unheim-
lichen Fluge durch die dunklen Forste gernht nnd von hier in hellen Mondnächten ihren
bezaubernden Sang ins Thal erklingen lassen. Am rechte» Ufer im Urgestein treffen wir
stellenweise die zarten Blumeu der alpinen Flora. Hier erheben sich die kahlen Gebirgszüge
zu pyramidenförmigen Spitzen, die, mit Gras überzogen oder in schiefrigen Platten
abfallend, einen originellen Anblick gewähren. Der bedeutendste vou ihnen ist der Hoch-
golling, welcher die Höhe von 2.863 Meter erreicht.
Das Flußgebiet der steirischeu Euus ist keiu ausgedehntes; auf dem linken Ufer
sind blos zwei bedentendere Gebirgsbäche. Da ist zuerst das reißende Gewässer, welches
bei Mitterndorf entspringt und das Dachsteingebiet von den Felsmassen des Grimming
trennt. In öder Schlucht eilt es hin, um im rauschenden Wasserfall zum Thale nieder-
zustürzen. Längs seines Lanses geht die romantische Straße „durch den Stein", welcher
Paß Gröbming im Ennsthale mit Mitterndorf verbindet. Dann der Grimmingbach,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Steiermark, Volume 7
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Steiermark
- Volume
- 7
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1890
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.09 x 22.51 cm
- Pages
- 432
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch