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Endlich sei hier, am Schlüsse der Schilderung der Sitten und Bräuche in Steier-
mark noch des „Lneienbrodes" gedacht, kleiner dünner Laibchen ungesäuerten Brodes aus
Maismehl, welches ältere Bewohner des Sulmthales, z. B. um Gleinstütten und anderen
Orten, am St. Lucieutage (13. December) bereite» und genießen zur Erinnerung an diese
Heilige, die als Beschützerin gegen wüthende Hnnde verehrt wird und sich nur vou solchem
ungesäuerten „Knknrntzbrode" genährt haben soll.
Ungleich zahlreicher als die Sitten und Bräuche sind die Mythen und Sagen der
deutschen Bewohner Steiermarks, ein innerlicher, tiefliegender Schatz des Gemüthslebens
des Volkes, welches in ihnen nicht nur mehr oder weniger dunkle Erinnerungen an die
Götter seiner Vorfahren und eine naiv poetische Natnranschannng, sondern auch seine
tiefsinnigen Meinungen lind Begriffe über Recht und Moral niedergelegt uud sich
bewahrt hat.
Wie in den Gebirgsländern überhaupt lebt auch in Steiermark die Sage von dem
einstigen goldenen Zeitalter in den Alpen und deren Verwilderung, so z. B. von der
„verschniebenen Alm" auf dem Dachstein, vom „Röhl" in den Johnsbacher Gebirgen,
vom „Pleschberge" bei Admont und viele andere. An diese und ähnliche Sagen, welche
alle das uralte, ewige Thema vom verlorenen Paradies nnd den Menschen, die es
verscherzten, variiren, knüpfen sich zahlreiche andere von Gottesgerichten, z. B. von den
„versteinerten Spielern" und der „Spinnerin am Gamsgebirge" bei Maria-Zell, vom
„Hahnstein" bei Admont, von der „treulosen Schloßherrin" auf Strechau, deren Bildniß
mit dem Todtenkopf anstatt des holden Angesichtes noch ans Röthelstein zu sehen, von
dem „zerstörten Silberbergwerk" in Zeiring, darin 1.400 Knappen den Tod in den unter-
irdische» Gewässern gesunden, und viele andere.
Zahlreich siud die Sagen von den die Elementarereignisse personificirenden
Dämonen. So knüpft sich an die Entstehung des Erzberges bei Eisenerz eine der
theogonischen Mythe vom Gigantenkampfe der Hellenen ähnliche Niesensage; auf dem
Schöckel verfolgte der Niese Vasold, welcher über die Winde gebot, die Hexen und vereitelte
die böswilligen Absichten dieser Unholdinnen; auf dem Wildonerberge hausten „wilde
Männer", dereu Andenken sich bis zur Stunde in dem Namen wie im Marktwappen
Wildons erhalten hat; an dem Schlosse Neuberg und der Kirche Maria-Lebing im Bezirke
Hartberg sollen zwei aus Asien eingewanderte Niesen gebant haben, die beide miteinander
nur eiueu Hammer hatten und den sie sich gegenseitig von den eine Stunde entfernten
Baustätten zuwarfen; auch die aus Ehamisso's poetischer Bearbeitung bekannte Sage von
der Burg Niedeck im Elsaß kehrt in Steiermark wieder nnd knüpft sich an das „Riesenweib",
welches im Innern der kleinen „Kögeln" bei Straden (Gemeinde Hof) hauste, uud au das
„Niesenfräulein", das mit seinem Vater die Großhaiderhöhle im Bezirke Pöllan bewohnte.
Steiermark. 12
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Steiermark, Volume 7
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Steiermark
- Volume
- 7
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1890
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.09 x 22.51 cm
- Pages
- 432
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch