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Eigenschaften des Volkes. Dort schwindet das Selbstbewußtsein und an dessen Stelle tritt
ein manchmal allzu unterwürfiges Wesen, mit welchem sich Arbeitsuulust und das Streben
paart, den möglichst großen Nutzen für sich selbst zu ziehen. Diese Beobachtung kann man
hauptsächlich in den Weingegenden machen, welche infolge von Mißjahren verarmt sind,
wo mancher frühere Besitzer zum Winzer geworden ist, da er in den guten Jahren unter dem
Einflüsse des Glückes etwas zu leichtsinnig war und an die kommenden mageren Jahre
nicht dachte. Gerade jene gesegneten Landstriche zeigen oftmals einen schnellen Wechsel im
Besitz von Grund und Boden, da der glückliche Eigenthümer hier und da gar zu gutherzig
gegen sich und Andere war und seine Gastfreundlichkeit über das richtige Maß hinaus
zeigen wollte. Doch thäte man Unrecht, wollte mau deßhalb das gesammte Volk für
verschwenderisch erklären; es steckt in demselben noch heutzutage die Erinnerung an die
alte Haus- nnd Familiengemeinschaft, in welcher jeder Hausgenosse den übrigen gegenüber
gleichberechtigt war und das Gebot der Gastfreundschaft so strenge aufgefaßt wurde, daß
dem Armen die gesammte Gemeinde die Mittel an die Hand gab, um dieser Pflicht genügen
zu können. Wie denn noch jetzt demjenigen, den ein Unglück getroffen, die Nachbarn nicht
nur durch Lieferung von Materialien, sondern anch durch Besorgung von Arbeiten unter
die Arme greifen. Dies erleichtert den Kampf um das Dasein nmsomehr, als die socialen
Fragen, welche die Welt bewegen, nach dem allerdings einfachen, in der Ausführung aber
bitteren Grundsatze: Hilf dir selbst und Gott wird dir helfen si snm in ti
bo poiNÄKal) kurz und bündig abgethan werden.
Der Hände Arbeit schützt vor Noth und stellt die Frau dem Mauue gleich, weßhalb
die Jugend schon von Kindesbeinen zur Arbeit angehalten wird. Dabei unterstützt den
Slovenen ein findiger Kopf und eine nicht geringe Begabung nicht nur für körperliche
Fertigkeiten, sondern auch für geistige Arbeiten. Daraus erklärt sich der verhältnißmäßig
große Zndrang von jnngen Leuten aus der Landbevölkerung zu den Mittel- und Hoch-
schulen und den verschiedenen Gewerben. Außerdem finden sich auf dem Lande nicht selten
Autodidakten der verschiedensten Zweige des Gewerbes und selbst der Kunst, deren
Geschicklichkeit es bedauern läßt, daß ihnen nicht Gelegenheit geboten wurde, sich besser
auszubilden. Solche trifft man auch auf geistigem Gebiete. Fast jede Gemeinde zählt irgend
einen bevorzugten Naturdichter, der die verschiedensten Ereignisse poetisch darstellt, dessen
Gesänge — Gedichte ohne Gesang sind dem Landmann nicht denkbar — von Mnnd zu
Mund wandern und das Volkslied nicht aussterben lassen. Die Vorliebe für den Gesang
ist ein charakteristisches Merkmal des slovenischen Volkes; der Hirte auf der Weide und
die Arbeiterinnen auf dem Felde erleichtern sich des Tages Müh und Last mit Liedern,
deren wehmüthiger Gruudcharakter dem Beobachter sofort auffällt. Vou Instrumenten
findet sich besonders die Rohrflöte (/vexha), in den Gebirgen die Zither und sonst noch
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Steiermark, Volume 7
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Steiermark
- Volume
- 7
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1890
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.09 x 22.51 cm
- Pages
- 432
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch