Page - 262 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Steiermark, Volume 7
Image of the Page - 262 -
Text of the Page - 262 -
262
XIII. Jahrhunderts eine umfangreiche Abhandlung, gleichsam eine Summe musikalischen
Wissens seiner Zeit schrieb, die noch jetzt dem Musikhistoriker Beachteuswerthes bietet.
Während die Kirche in ihren liturgischen Gesängen an dem einstimmigen lateinischen
Choral festhielt, bis sie im XVI. Jahrhundert den mehrstimmigen kunstvollen Gesängen
der Niederländer, Italiener und Deutschen die Aufnahme nicht länger verweigern konnte,
hatte das inzwischen in reicher Blüte zur Entfaltung gekommene deutsche kirchliche
Volkslied längst schon Eingang auch in die Kirche gefunden, namentlich an den hohen
Festtagen und bei den dramatisch gestalteten kirchlichen Ceremonien, welche zur Entstehung
der volkstümliche» Weihnachts-, Dreikönigs-, Passions- und Osterspiele Veranlassung
gegeben haben. Die noch vorhandenen sehr einfachen, kurzen Weihnachts-, Paradies- und
Dreikönigsspiellieder, welche bei solchen Spielen gesungen wurden und an manchen
Orten noch jetzt gesungen werden, sind kaum über anderthalbhundert Jahre alt. Viel
ältere kirchliche Volkslieder finden sich aber in dem im Jahre 1602 in Graz gedruckten
katholischen Gesangbuche des Nikolaus Beuttuer von Geroltshofen, Schullehrers zu
St. Lorenzen im Mnrzthale. Manche dieser dem Volksmunde entnommenen Melodien
klingen so heiter und weltlich, daß an der Entlehnung derselben von weltlichen Volks-
liedern kaum zu zweifeln ist. Dadurch wird der Werth dieses ältesten steiermärkischeu
Gesangbuches nicht wenig erhöht, daß es einigermaßen Ersatz bietet für den Mangel
an mittelalterlichen weltlichen Volksliedermelodien, wovon aus Steiermark ebensowenig
auf uus gekommen ist als von mittelalterlichen Compositioneu für Instrumente. Die
Pflege der Instrumentalmusik lag vornehmlich in den Händen der Spielleute und
fahrenden Schüler, welche bereits im Anfange des XIII. Jahrhunderts in einer über
Baiern, Österreich, Steiermark und Mähren ausgedehnten Genossenschaft gestanden zu
haben scheinen, deren Vorsteher sich im Jahre 1209 scherzhaft Surianus uauute. Dieses
lustige Völklein, diese von den scholastischen Musikgelehrten gefürchteten „Componisten der
Zukunft" waren überall dabei, wo es lustig herging, bei fröhlichen Gelagen, Hochzeiten,
Tänzen, öffentlichen Festlichkeiten, auf Märkten und Messen. Und so finden wir sie auch
in dem großen Gefolge Ulrichs von Lichtenstein auf dessen abenteuerlichen Venus- und
Artusfahrten. Posaunisten, welche durch „süße Weisen" den zum Turnier versammelten
Rittern verkündeten, daß Ulrich zum Kampf bereit sei, scheint er als stete Begleiter im Solde
gehabt zu haben. Außer den süßen Posaunenweisen erschallte allerorts auf diesen Fahrten
Musik von Fiedeln, Holerflöten, Schalmeien, Hörnern, Pauken und Trommeln, beim
Turniere nicht selten übertönt vom Krachen der Speere. Auch gesuugen wurde da viel.
Bekanntlich hat Ulrich von Lichtenstein eine Menge von Tanzliedern und andern Liedern
gedichtet und auch die Melodien dazu selbst erfunden. Von manchen sagt er, daß sie gern
und oft gesungen wurden, beim Tanz oder beim Tjost, „da Feuer vom Helme sprang",
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Steiermark, Volume 7
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Steiermark
- Volume
- 7
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1890
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.09 x 22.51 cm
- Pages
- 432
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch