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die Jungfrau, die als jährliches Opfer dem Drachen preisgegeben wird: Marjetica, von
ihrer Stiefmutter dem Drachen geopfert, wird von ihrem Bruder, dem heiligen Georg,
gerettet, indem sie ihren goldenen Gürtel über das Unthier wirft, wodurch es vom
Helden gebändigt und erschlagen wird. Die Jungfrau wird geraubt vom Wiuterdämon
Trdoglav, vou deu Pefoglavci, welche sie so lange in ihrem Schlosse gefangen
halten, bis ein junger Königssohn sie befreit. Mit dem Teufel, der ein Mädchen geraubt,
ringt ein Schmied, so stark wie zwölf Gesellen, und entreißt ihm die Beute. Dasselbe
Motiv wird auch auf historische Personen übertragen. Raub und Errettung schöner
Frauen ist ein beliebtes Sujet des Volksliedes und der Volkssage geworden, wobei auf
Kralj Matjäz hingewiesen werden möge.
Den Raub der Erdeujungfran vertritt ein neues Motiv: die Versteinerung,
Verzauberung in Thiere, als Hund, Igel, Hirsch, Schlange. Dementsprechend ist die
Errettung Wiederbelebung des erstarrten Königreiches oder Rückverwandlung in die
ursprüngliche Menschengestalt. Die Entzauberung gelingt nicht immer, der dazu Aus-
erwählte ergreift die Flucht. Sie vollzieht sich allmälig, indem der Held allerlei nächtlichen
Spuk mannhaft aushält, oder durch wiederholte Schläge mit der Haselgerte. Diese ist
die Wünschelruthe, die verzaubert und den Zauber banut, verborgene Schätze öffnet und
das Wasser theilt, daß man trockenen Fnßes hindurchgehen kann. Sie kann ersetzt werden
durch Wunder- und Zauberkräuter, von denen die Springwurzel genannt sei. Die
Errettung wird durch die Ehe, das alte mythische Symbol der Vereinigung der jungen
Frühlingssonne mit der ueuerwachteu Erdeubraut, besiegelt.
Wider lichte Wesen erheben sich ihnen verwandte, die jenen zum Verderben
gereichen. Die Stiefmutter verfolgt die Stieftochter, legt ihr schwierige Arbeiten auf,
welche der Verfolgten mit wnnderbarer Hilfe (Thiere, Christus) gelingen. Die Schwieger-
mutter verleumdet ihre Schnur beim abwesenden Genial, daß sie ihm statt eines schönen
Knäbleins einen schwarzen Kater geboren hat. Ein Zauberer (der Teufel) verfolgt den
auf einem abgemagerten Rosse fliehenden Sonnenhelden, der Bürste, Striegel, Salz hinter
sich wirft, wodurch Wälder, Felsabgründe, Sümpfe entstehen und den Verfolger aufhalten.
Die Schwester tödtet ihreu eigenen Bruder; die zwei älteren verständigen Brüder
verfolgen und erschlagen aus Neid den jüngsten, den Thoren, dem aber Alles wohl gelingt.
Hiermit hat der Sonueumythus seine Grenze erreicht und geht in das ethische Märchen über.
Nicht so zahlreich sind die Mondesmythen. Der Mann im Monde, der zur
Strafe, daß er sich von Christus dem Herrn unter den drei gestatteten Wünschen nicht den
Himmel ausgebeten, fortschmiedet und sich zwölfmal im Jahre verjüngen mnß, ist das
Symbol des Mondes selbst. Eine Variation davon sind die Märchen vom Schmied
oder Knrent, der den Tod überlistet und weder in den Himmel noch in die Hölle Einlaß
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Kärnten und Krain, Volume 8
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Kärnten und Krain
- Volume
- 8
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.41 x 23.03 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch