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zusammen." Dann gibt sie dem Burschen einen Puff iu den Rücken: „Und dn, mein Sohn,
geh' und hilf ihr." Der Bnrsche geht hinaus und überreicht dem Mädchen das Verlobnngs-
geld (eine Anzahl Silberthaler und zuweilen auch ein Schmuckgegenstand), nebst einem oder
mehreren seidenenHalstüchern; das Mädchen erwidert dies mit einem gestickten Hemde, als
Ergänzung jener künstlich ausgenähten Taschentücher, die sich der Bursche schon vorher
angeeignet hat. Das ist das Verlobnugshemd, das der Bräutigam bei der Trauung tragen
wird. Bei den Jazygiern gibt das Mädchen dem Burschen auch noch ein großes Seiden-
tuch, welches ihm später als Hochzeitsfahne dienen und unter dem er am Tage vor der
Trauung mit seinen Freunden paarweise zum Mädchenhause reiten wird, um die Aussteuer
der Braut zu holen. Dann gibt sie ihm noch einen Strauß von künstlichen Blumen, den
sich der Bräutigam sogleich an den Hnt steckt und bis nach erfolgter Trannng dort
stecken läßt.
Nach dem „Beisitzen" kommen die beiden Sünder wieder zum Vorschein. „Kommt
doch endlich herein; das bißchen Mohn müßt ihr ja längst zusammengefegt haben." Der
Bursch läßt sich an den Tisch herannöthigen, wo schon seit einiger Zeit in aller Gemüth-
lichkeit über innere und äußere Obrigkeiten, wie nicht minder über die Regierung losgezogen
wird, das Mädchen aber betheilt die Beistände mit bunten Tüchern aus Leinen oder Seide.
Und damit ist nun die schöne Zeit des Burschen- und Mädchenlebens abgeschlossen; keines
von beiden läßt sich mehr an einem öffentlichen Orte blicken. Das Mädchen wird „zum
Welken" abgeschlossen, worunter man die Arbeiten begreift, welche die Vervollständigung
der Aussteuer etwa noch erfordert.
Und doch ist eigentlich der Hochzeitsvater derjenige, der „zum Welken" verurtheilt ist.
Nicht wegen der Hochzeitskosten, aus die er sich ja seit einem Jahre vorbereitet, besonders
auch durch fleißiges Mästen von Vieh und Geflügel und Aufbewahren des Besten, was
Feld und Weingarten geliefert. Weit größere Sorge bereiten ihm die Zigeuner. Denn wohl
gibt es in den Städten fünf oder sechs tüchtige Musikbanden, denen es auch uicht an Erwerb
fehlt, auf dem Torfe aber — und gerade da kommen die Trauungen gleich gruppenweise
vor — gibt es entweder welche, oder es gibt keine. Oft muß die „Bande" von weither
insgeheim mittelst eines ansehnlichen Handgeldes verschrieben werden und selbst dann steht
immer ein wenig zu fürchten, daß dieselbe schließlich mit „Brachialgewalt" zu Hause fest-
gehalten wird, dazu „halte sich ja das Dorf eine Bande" und die „Heimat" gehe dem
„Auslande" vor.
Für das Hochzeithalteu gibt es drei Saisons. Die erste ist der „Lämmerfafching",
im Herbst, wenn der Wein ansgegohren ist, Überfluß an Brod herrscht und Vieh und
Geflügel gut im Fett stehen. Die zweite ist der „große Fasching", vom Dreikönigstag bis
znm Faschingdienstag. Die dritte ist der „grüne Fasching", von Ostern bis Christi
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch