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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Volume 9
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85 Der Schmaus dauert eine gute Weile, deun das hält der Ungar für Herrensitte. Die Küche ist nicht für Hochzeitszwecke gebant worden, also recht eng, und drei oder vier Köchinnen hindern sich darin gegenseitig, überdies von noch nicht tischfähigem jungen Volk belästigt, das fortwährend gestopft sein will, der Bettler gar nicht zu gedenken, die in aller Eile satt werden wollen (freilich nur in der Stadt, denn auf dem Dorfe gibt es keine und wenn es welche gäbe, wären sie zu stolz dazu); kein Wunder, daß es mit dem Serviren, Auftragen, Tellerwechseln und so fort etwas langsam geht. Aber man hat ja auch keinen Grund zur Eile; die Nacht ist so lang und „der Tatar ist uns ja nicht auf den Fersen". So dauert die Tafel zwei bis dritthalb Stunden lang. Bei den ersten Gängen ist die Gesellschaft still, aber sie wird immer aufgeweckter; auch die Hochzeitsbitter werden scherzhaft und legen los; Gelächter, Anekdoten, Späße machen die Runde; nur der Bräutigam ist ernsthaft und nöthigt seine sittsame Gefährtin im Flüstertone zu essen, indem er dieses oder jenes Stück Süßigkeit aus der Schüssel heraussticht und von der Gabelspitze herab mit dem Daumen vor ihr zurechtschiebt. Auch die kleinen Gläser füllen und leeren sich um die Wette (Wasser spielt dabei keine Rolle), an Gläsern ist nämlich dermalen bei Tische kein Mangel mehr. In früheren Zeiten kreisten Halbeflaschen und Maß Cylinder um den Tisch; auch Feldflaschen, mit Fohlenfell über- zogen, welche man mitbrachte und vor sich hinstellte. So viel Schüsseln, so viel Maß- Cylinder. Der erste Gast trinkt seinem Nachbar zu: „Gott lasse Euch leben"; er trinkt, wischt dann mit der hohlen Hand den Rand des Gefäßes ab und reicht es dem Nachbar: „In Ehren gegeben." „Mit Achtung genommen", erwidert dieser und trinkt dem Nächsten zu. So geht die Flasche in die Runde, durch Männer- und Frauenhände; die Frauen jedoch nippen nur. Da plötzlich ruft einer der Hochzeitsbitter mit lauter Stimme: „Unser Bursche ist ein guter Schnitter, unser Mädchen eine gute Erutueriu!" Auf das hin erheben sich Bräutigam und Braut und küssen sich. Das ist Pflicht, und zwar eine so unabweisliche, daß es nur Jemandem einzufallen braucht, diese Worte immer wieder zu rufen, und das junge Paar wird gar nichts Anderes mehr thun können, als sich küssen. Jedesmal stehen die Glücklichen auf und thun ihre Pflicht. Doch ist dies nur ein lokaler Gebrauch und der Beistand hat die Machtvollkommenheit, demjenigen Schweigen aufzuerlegen, der das Pärchen allzusehr belästigt. Trinksprüche auszubringen ist beim ungarischen Volke nicht Brauch, obgleich heutzutage kaum noch eine Hochzeit vergeht, ohne daß Beistände, die mit Herreilbrauch einigermaßen vertraut sind, ein paar wohlgedrechselte Toaste ausbrächten. Der Ungar nimmt das hin, wie eine Mode, ohne daß es ihm besonderen Spaß macht. Er weiß ja ohnehin, was das Ende vom Liede ist: „Gott lasse Ench leben!" Nun wohl, so lasse er sie leben, aber wozu denn ein solches Präambulum machen?
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild Ungarn (2), Volume 9
Title
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Subtitle
Ungarn (2)
Volume
9
Editor
Erzherzog Rudolf
Publisher
k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
Location
Wien
Date
1891
Language
German
License
PD
Size
15.56 x 21.98 cm
Pages
682
Keywords
Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
Categories
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