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Lehrjungen aufs Knie patscht. Jetzt legt sich der Meister eine Lammfellmütze über die
Knie und beginnt die Lehrlinge zu unterweisen: „Da seht her! (patsch!) das Pelzwerk für
eine Mütze muß schwarz sein (patsch!), das Futter (patsch!) muß weiß sein (patsch!). Ein
ehrlicher Kürschner (patsch!) pflegt keine kleinen Abfälle (patsch!) hineinzunähen (patsch!)."
Die beiden Lehrlinge trachten dabei mit der Ruthe die Hände des Meisters zu treffen,
was ihnen aber nicht gelingt. Wenn sie ihre Knie schon gehörig zerbleut haben, nehmen
Andere ihre Plätze ein und versuchen es, in verschiedener Stellung und Haltung unter dem
Gelächter der Zuschauer, aber das Ende ist doch immer nur, daß ihnen die Knie unter dem
vielen Patsch-Patsch einschlafen und die Hände des Meisters unversehrt geblieben sind.
Dann kommen die Besuche aus dem Mädchenhause, wo man sich nicht minder
unterhält, nur nicht so laut. Mittlerweile wird wohl auch dem Herrn Beistand ein Streich
gespielt, wenn er sich nicht in Acht nimmt und auf seinem Platze bleibt. Ist er bereits in
seiner „Erklärer-Laune", so öffnet sich ganz sachte das Fenster hinter ihm, ein Rohrhalm
mit zerspaltenem Ende langt herein, fängt sich in seinem struppigen Haupthaar und
beginnt dieses langsam zu drehen. Die Locken wickeln sich am Rohre auf, was der Alte
erst merkt, wenn es ihn recht reißt. Nun möchte er aufstehen, aber er darf das nicht, sonst
schmerzt es noch ärger; er kann nur, ohne sich umzusehen, hinter sich rufen, daß man ihn
nm Gotteswillen auslasse. Die nichtsnutzigen Rangen, die draußen das Rohr gedreht,
lausen davon und nun hat die Frau die ganze Plage, den alten Mann von seinem
Anhängsel zu befreien. Der Schabernack ist freilich dadurch nicht ungeschehen gemacht.
„Man hat ihn zum Fenster hinausgezwirbelt", wie die jungen Spatzen sammt dem Neste.
Gegen elf Uhr neue Mahlzeit. Der Tisch wird mit kaltem Braten bedeckt. Mittler-
weile kommt die „Legstunde" heran. Die Gäste des Mädchenhauses kommen herbei, in
allen Händen Schüsseln mit Backwerk oder Weinflaschen. Eine von ihnen bringt in ein
Tuch gebunden die „Haube der Braut", die bisher im Jungfern- oder Brautkranz getanzt
hat. Jetzt geht die Braut hinaus ins „Kleinhaus", das bei dieser Gelegenheit Jedermann
räumen muß. Nur zwei fachkundige Frauen bleiben und helfen die Haube feststecken. In
der Gegend von Baja bleibt das Schopfnestelu auf den nächsten Mittag und geht in
Anwesenheit weniger Verwandten vor sich. Die Form des Schöpses erheischt, daß hiebei
ein Theil vom Haare der Braut zum Opfer falle. Der Brautführer geleitet die so
geschmückte Braut wieder hinein und führt sie dem Bräutigam zu, mit den Worten: „Ich
habe eine fremde Person gebracht; nehmt sie liebevoll auf; sie ist eine gute Frau, eine
schöne Frau, jung und tanzt gut; versuch's nur, Gevatter." Die Zigeunerfiedeln gelleil
auf und nun beginnt der wirkliche Brauttanz.
Aber der arme Bräutigam kann mit seinem Gespons kaum zweimal in die Runde
tanzen, da klappert schon der Teller auf der Tischecke, denn der erste Brautführer hat eine
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch