Page - 106 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Volume 9
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Beileibe nicht die Bibel, die sich sammt dem Gesang- und Gebetbnche in der glänzenden
Schublade („sublvt") uuter dem Spiegel oder, wo eine solche nicht vorhanden, in der
Fensternische, auch ein vornehmer Platz, befindet.
Die zweite Abtheilung ist die Küche mit Geschirr und Kesseln in großer Zahl. In
der Küche steht auch der süuszig Centimeter hohe, weiß gehaltene „Sesseltisch", den man
im Sommer unter den Hausgang oder unter den Maulbeerbaum hinausträgt, mit einem
Tischtuch deckt nnd dann Schemel rings hernmstellt, nm das Abendbrod einzunehmen.
Dies ist der kleine Speisesaal des Ungars. Auf die Teller, selbst wenn es welche gibt,
wird keine Speise heransgeschöpst. Jeder löffelt aus der große» Schüssel, und zwar in
größter Ruhe, um nicht als Heißhungriger dazustehen; auch setzt man sich nicht nahe an
den Tisch, sondern ziemlich weit weg, aber das Tischtuch wird trotzdem nicht fettfleckig,
denn man hält unter den vollen Löffel, während er den Weg von der Schüssel zum Munde
zurücklegt, eine» Brodranken als Untersatz. Im „Großhause" drinnen wird den Sommer
über nur bei Anwesenheit eines ansehnlichen Gastes der Tisch gedeckt. Die Küchenthür ist
bei Tag immer offen, nur ein Lattenpsörtchen nnd die daran gehängte Peitsche halten das
Geflügel ab, das immer gern hinein möchte; aber auch Nachts ist sie offen, denn ein oder
das andere Mitglied der Familie, meistens der erwachsene Haussohn, schläft in der
Küche, das Kopfkissen auf die Thürschwelle gelegt. Aus der Küche gelaugt mau eudlich
iu die dritte Abtheilung, das vier bis fünf Meter lange „Kleinhans" (kleine Zimmer), wo
sich die Familie bei Tage aufhält. Diese drei Abtheilungen sind mich bei armen Leuten
unerläßlich, bei deu wohlhabenderen öffnet sich dann noch das Kleinhaus in die Speise-
kammer, welche sich über dem Kellerhals befindet, weiterhin folgt die große Kammer
lFruchtspeicher), ja manchmal anch noch, unter das nämliche Dach mitbezogen, Stall,
Schuppen und Scheune.
Längs dem Hause, wenigsteus vor den Wohnzimmern, zieht sich ein ein bis zwei
Meter breiter Hausgang auf steinernen oder hübsch geschnitzten Holzpfeilern; darin sieht
man allerlei Vorrathsräume des HauseS, oft eiueu Getreideschuppeu, iu der Donan-Theiß-
Gegend aber das sogenannte „Gelsengarn". So nennt man das im Hausgang stehende
Bett, welches eiu vom Plasond bis zum Bodeu herabreicheudes slorartiges Gewebe von
Hausgespiuust umgibt, nm die Mücken abzuhalten, ohne die Luft auszuschließen. Dies ist
die Schlafstelle der jüngsten oder ältesten Fran, so lange nicht die ärgste Kälte eintritt.
Auch in den größeren Städten (Debreczin, Kecskemet) bauen die „cives" (die Classe
der bäuerliche» Landwirthe) ihre Häuser nach diesem Plane und richte» sie dergestalt ein,
nur mit dem Unterschied, daß der Ha»sga»g breiter ist als gewöhnlich und sein an die
Straße stoßendes Ende zu einem Stübche» mit besonderem Eingang abgetrennt ist, so daß
die Gassensronte drei mit grünen Läden versehene Fenster ausweist. Bei derartige» Häuser»
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch