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Doch nicht Jedermann kann, vder will auch nur, Mitglied des Clubs sein. „Alt-
magyaren", die jede Neuerung über die Achsel ansehen und für jede Bewegung, die ja
kein gutes Eude nehmen kann, nur argwöhnische Blicke haben, dann die „stolzen Bauern",
denen' der Handwerker und der Kleingrundbesitzer, aber selbst der Poet und die Herren viel
zu gering dünken, ferner die „frommen Seelen", welche die Clubs als den Gegensatz der
Kirche betrachten und jeden Buchstaben, der nicht von Religion handelt, für dummes Zeug
erklären, — solche Leute werfen wahrlich keine zwei bis drei Gulden hinaus, uur um das
ganze Jahr hindurch Lüge und Pfeifendampf verschlucken zu können. Wozu auch? Sollte
wirklich etwas in der Welt vorgehen, so wird schon die Frau die Nachricht vom Wvcheu-
markte »ach Hause bringen. Was sollte deßwegen ein alter Mann erst zur Schule gehen?
Und was man von der Frau nicht erfährt, das erfährt man in der Trockenmühle. Dort
spricht man wenigstens mit Leuten, an die man gewöhnt ist; auch braucht man sich nicht
zwischen vier Wände einzuzwängen, wie ein Kranker, denn unter dem freundlichen Schirm-
dach der Mühle hat mau zu Fünfen und Sechsen auf eiuer Bank Platz und sieht dabei
auch noch die Vorübergehenden und anßer ihnen noch des lieben Herrgotts Sonne bis zu
ihrem Untergang, und die hat doch der Allerheiligste nicht zu dem Zwecke gegebeu, damit
man aus dem Fenster nach ihr ausgucke. Das sind die echten uud rechten „Volksclubs", die
Trockenmühlen, in jedem „Zehent" deren zwei oder drei, ja in der guten alten Zeit sogar
noch mehr, bis endlich die „Herren" ihnen aufbrachten, daß sie feuergefährliche Nester
seien. Seitdem beginnen sie zu verschwinden; sie müssen sich hinaus verziehe» auf deu
„Schafrain" oder die Dampfmühleu fressen sie auf. Heute oder morgen verschwinden auch
die Windmühleu, diese schlanken hageren Gebilde, welche gleich ebensovielen Forts die
Alfold-Städte umgeben und ihre Segelarme gleichmäßig in der Luft und im Spiegel des
Teiches kreisen lassen.
Man sieht, daß, wenn der Volksclnb und Leseverein, oder wie das Ding immer
heißen mag, eine mit Statuten wohlverschanzte gesellschaftliche Institution ist, die Trocken-
mühle noch viel mehr als solche gelten muß, nur freilich als eine weitaus aristokratischere,
denn da kann sich nicht jeder erste Beste um zwei oder drei Gulden einschreiben lassen;
da versammelt sich nur ein altgewohnter Kreis von blutechten, stammwüchsigen Männern:
der Mühlbauer selber (denn eine Trockenmühle hat nur Eiuer, der auch selber was darauf
zu mahlen hat) und dann die alten Gevattern, mit denen man zusammen die Schule
geschwänzt hat, und endlich die solide Nachbarschaft und Sippschaft. Vom Herrenstande
nur diejenigen, die sich ans Hoffahrt auf die Bauern hinausspielen, denn auch solche gibt
es genug. So manche „Restauration" (Beamten-Erneuerung) nimmt unter dem Vordach
der Trockenmühlen ihren Ausgang uud so manche volkswirtschaftliche Angelegenheit wird
dort entschieden.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch