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steht nicht zu befürchten. Der Hausstand ist groß, und würde es auch wirklich altbacken,
nun, so dauert es um so länger.
Aber die ungarische Frau zeichnet sich nicht nur beim Seisekocheu aus, sonder« auch
beim Wasche». „Reinlichkeit ist Gesundheit", sagt sie und handelt tüchtig nach diesem
Grundsatze. Ihr Bettzeug, ihr Tischtuch, die gesammte Wäsche der Familie ist „wie der
Schnee", obgleich das Liuueu meistens gewöhnliche Hausleinwand ist. Feine Leinwand
wird nnr bei den Festtagskleidern benützt. Zum Wasche» uimmt die ungarische Frau am
liebsten Regen- uud Flußwasser. Im Winter, wenn von Sammeln des Regenwassers gar
keine Rede sein kann, nimmt man auch mit Brunnenwasser vorlieb; wo es aber Fluß-
wasser gibt, hat dieses selbst beim stärksten Frostwetter den Vorzug. Der Vater oder sonst
ein Mau« aus der Familie haut ein Loch in das Eis des Flusses, das Frauenzimmervolk
aber rafft alles „was unter den Schlägel gehört", zusammen, nebst den Werkzeugen für
diese Arbeit: der Waschbank nämlich und dem Schlägel. Man legt sich eine Handvoll
Stroh unter die Füße, neben dem Eisloch, und geht an die „pritschlige" Arbeit. Mitunter
wandern mehrere, ja sogar viele aus das Eis hinaus uud verüben ein so patschendes,
klatschendes Geschlägel, daß die ganze Wassergegend davon wiederhallt. Je schärfer die
Kälte, desto röther werden die Gesichter und Hände, aber einen Schnupfen, geschweige
denn eine ärgere Erkältung kriegen diese Arbeiterinnen des Schlägels wohl nie. Und doch
sind sie gar leicht bekleidet nnd selbst ihre leichten Röcklein sind noch rechts und links
hoch aufgesteckt.
Das Lichtziehen ist in unseren Tagen des Petroleums nachgerade selten geworden;
ehemals gehörte es auch zum Ehreukrauz der ungarischen Hausfrau. Die Käsebereitung
dagegen wirft noch immer ein Namhaftes ab, besonders in der Tanya- (Gehöft-) Wirth-
schaft. Erwähnen wir schließlich noch die Zucht des verschiedenen Geflügels und die
beständige Pflege des Hausgartens, nicht zu vergessen auch die häufige Tünchung
(„Weißelnng") des Wohnhauses, so haben wir Alles angeführt, was die „Unterhaltung"
der magyarischen Bäuerin bildet.
Die hier geschilderten Zerstreuungen und Unterhaltungen des männlichen und
weiblichen Geschlechtes sind aber nur Geringfügigkeiten im Vergleich zu den als Stell-
dichein für alle Lebensalter, Geschlechter, ja Volksclassen dienenden Märkten. Von den
großen Provinzherren angefangen, die in fünffpännigen Kutschen fernher gejagt kommen,
und von den reichen Bauern, die mit ihren Rinderheerden die Ebenen beherrschen, bis
hinab zum letzten Marktbettler, der an der Ausmündung einer Zeltgasse sein jämmerliches
Lied winselt, trifft Alles, was da im Umkreise lebt, auf den Jahrmärkten von Debreezin,
Kecskemet, Maria-Theresiopel, Szegedin, Gynla und des auch sprichwörtlich dafür
bekannten Tur zusammen.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch