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es blitzt streckenweise das Silberband der Donau auf. Thürme von Städten und Dörfern
erblickt man nur in großer Ferne. Ans Nordost blauen bei klarem Himmel noch die Berge
von Nögräd herüber und die blaßblaue Silhouette der Heveser Mätra wird sichtbar;
herwärts dunkel» die waldigen Abhänge der Hügel von Gödöllö; im Osten aber und im
Süden stört nichts den Eindruck der Ebene. Und der Halbkreis, den wir so vom höchsten
Berggipfel übersehen, mag kaum der zwanzigste Theil des einzigen Pester Comitates sein.
Dem Fuße der Ofener Berge schläugelt sich die Donau entlang, oberhalb der Haupt-
stadt durch die Margaretheninsel getheilt, unterhalb der Stadt in ihrem südlichen Laufe
wiederum gegabelt, um die Insel Csepel zu bilden. Auf ihrem linken Ufer erhebt sich in
erstaunlichem Wachsthum Pest, dessen Palastreihen den Strom in immer länger werdender
Sanmlinie begleiten, während seine in Gärten prangenden Landhäuser und rauchenden
Fabriksschlote die ehemalige Sandebene zusehends erobert haben. Wer noch vor vierzig
Jahren von diesem Berggipfel aus auf diese nämliche Gegend hinabgeblickt, erinnert sich
noch deutlich jener Sandwüste, in deren Mitte die Hauptstadt lag. Ei« sommerlicher Sturm-
wind wurde auf dieser Ebene zum richtigen Samum, der mit seinen Staubwolken die Stadt
bis zur Uusichtbarkeit verhüllte. In unserer Zeit kommen solche saharamäßige Erscheinungen
nicht mehr vor. Wie es der menschlichen Arbeit gelungen, die Wüste der „Puszta" so
umzuwandeln, das soll im folgenden Aufsatz geschildert werden. Statt der Sandhügel
erblickt man jetzt dort Fabriken, Arbeitercolonien, kleine Gemeinden, zwischen denen zu
alle« Stunden des Tages Eisenbahnzüge gleich silberweißen Schlangen hin und wieder
schlüpfen, nach Ost, Süd und Nord, während man sie Nachts gleich Sternen, die über
den Erdboden daherfchießen, mit ihren Feueraugen heraneilen sieht, dem weiten Umkreis
des Central-Bahuhoses zu, dessen elektrische Lampen eine Krone über der Hauptstadt zu
bilden scheinen.
Wie anders gestaltete sich das „Leben" vor Jahrhunderten anf dieser nämlichenEbene!
Wo jetzt die Schlote der Fabriken dampfen und die Pfiffe der brausenden Loeomotiven
erschallen, da hielt die ungarische Nation ihre Reichstage ab; das war derberühmte„Näkos".
Im Gesetze Wladislans' II. (1498:1. G.-A.) ist es bestimmt, daß der König in jedem dritten
Jahre auf den St. Georgstag den Reichstag einberuft. Auf diesem Reichstage zu erscheinen,
selbst aus den fernsten Gegenden, sind verpflichtet jeglicher Kirchenfürst und Bannerherr,
die Barone des Reiches und der gesammte Adel mit Landbesitz. Nnr die Edelleute mit
einer Session Grundbesitz können zu je zehn einen aus ihrer Mitte gewählten Abgeordneten
schicken. Wer ohne annehmbaren Grund dem Reichstage fern bleibt, zahlt, wenn er Kirchen-
fürst oder Magnat ist, 800 Goldgulden Bnße, als einfacher Edelmann aber 400.
Doch mußten diese Reichstage binnen fünfzehn Tagen beendigt und während dieser
Frist die nöthigen Gesetze verhandelt und festgestellt sein. Diese Versammlungen wurden
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch