Page - 204 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Volume 9
Image of the Page - 204 -
Text of the Page - 204 -
204
lernt es hier leichter, als irgendwo sonst im Lande. Auch in Bezug auf deu Körperbau zeigt
dieses Volk gleichsam eine Vereinigung der hervorragendsten und wesentlichsten Eigen-
schaften der magyarischen Raee. Mann und Weib, mittelgroß oder etwas darüber, können
sowohl hinsichtlich der im richtigen Verhältniß entwickelten Körperformen, als auch der
Schönheit derselben, als Typus der magyarischen Race gelten. So kräftige, zähe, schlanke
und stramme, gesunde Menschen, wie im Alsöld, gibt es vielleicht im ganzen Lande nicht
weiter. Die Sandluft der „drei Städte", deren im Sommer übermäßige Hitze und oft
allzu anhaltende Trockenheit blos durch das Laub der überall grünenden Bäume gemäßigt
wird, scheint sowohl der gesunden Entwicklung des Organismus, als auch seiner Dauer-
haftigkeit günstig zu sein. Nicht leicht findet man in anderen Gegenden eine verhältnißmäßig
so lange Lebensdauer der Leute, wie in den „drei Städten", wo so viele ein Alter von
70 bis 80, ja noch mehr Jahren erreichen. Natürlich trägt dazu auch das Gleichgewicht des
Temperaments bei, und die mäßige, nüchterne, sparsame Lebensweise. Der einfache, in
blaues Tuch gekleidete Bürger, von dem man glauben möchte, daß er sein tägliches Brod
durch der Hände Arbeit verdienen muß, trügt in der inneren Tasche seiner Weste oft
40.000 bis 50.000 Gulden verborgen uud wohnt dabei zuweilen nur in einem Zimmer,
dessen gestampfter Erdboden mit Lehm ausgeschmiert ist, das aber nach anßen wie nach
innen völlig anspruchslos, gleichwohl reinlich, gesund und wohnlich aussieht.
Eine eigentliche Industrie, welche sich mit der Herstellung von Artikeln über den
localen Bedarf hinaus befassen würde, hat keine dieser Städte. Die Gewerbslente sind
zahlreich genug, aber ihre Erzeugnisse, die neuesteus nicht sonderlich hinter den ähnlichen
der Hauptstadt zurückstehen, finden meist an Ort und Stelle ihre Käufer. Die Gewerbsleute
älteren Schlages haben ihr Gewerbe meistens aufgegeben uud ziehen es vor, ein erworbenes
Grundstück zu bewirthschaften, statt ein Handwerk zu betreiben. Sie halten die Landwirth-
schaft für eine vornehmere Beschäftigung.
Die gebildete Classe ist unter den drei Städten, im Verhältniß zur Zahl der
Bevölkerung, in Nagy-Körös am stärksten. In neuerer Zeit jedoch nimmt sie auch in
Kecskemet rasch zu. Am weitesten steht in dieser Hinsicht Ezegled zurück, obgleich es den
Mittelpunkt eines lebhaften Eisenbahnverkehrs bildet, uud überdies schon am Ende
des XVI. Jahrhunderts eine so berühmte Hochschule hatte, daß von ihr selbst Debreezin
sich mehrmals mit geeigneten Religions-Lehrern versorgen ließ. Nicht minder erfreuten
sich die (zwei Stock hohe alterthümliche) resormirte Hochschule und die Rechtsakademie zu
Kecskemet eines großen Rufes. Das katholische Gymnasinm, das von Piaristen geleitet
' wird, ist durch Stefan Kohäry gestiftet, verdankt aber der Stadt seine Ergänzung znm
Obergymnasium. Neben diesen zwei großen Instituten begann zu Kecskemet in den
Fünfziger-Jahren auch eine Staatsrealschule sich zu entwickeln und ist seit einigen Jahren
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch