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aber beschränkt er sich meistens nur auf die allernothwendigsten Verrichtungen. Anch in
dieser Hinsicht gibt es einige Verschiedenheit zwischen den Nationalitäten des Comitats. Der
Thätigste ist der Deutsche, der Arbeitskräftigste der Magyar. Mit der Haue z. B. leistet
der Deutsche mehr, mit der Sense hält es der Magyar länger ans. Der Slovake eignet
sich besser für die langsame Arbeit von Tag zu Tag, ist er aber hier ansäßig nnd gut
geuährt, so ist er auch den Anstrengungen der Ernte recht gilt gewachsen. Anch er hat sich
aeclimatisirt, wie jene Pflanzen, die hierzulande schou um die Mitte des Sommers ihre
Lebensthätigkeit beschließen.
Die konservative Weltcinschannug des Volkes wird sogar durch die Beschäftigung
mit der Landwirthschaft bestärkt. Ein ackerbautreibendes Volk hängt überall an seinen
uralten Überlieferungen. Schon daß es naturgemäß an einen bestimmten Ort gebunden
ist, wirkt darauf hiu, und noch niehr der Umstand, daß der Ackerbauer nicht so leichthin
von einem Tag ans den andern leben kann, sondern schon hente säen mnß, nm in der
Zukunft ernten zu kouneu. Ja, diese Erute! Sie lohut ihm die Mühsal des ganzen
Jahres, nm ihr Gelingen rackert er sich und betet elf Monate hindurch; — wie sollte
da seiue Seele nicht jeder gewaltsamen Änderung, jedem Umsturz abhold sein!
Anderseits jedoch ist es schier zum Verwundern, wie rasch sich das Volk anf der
Pester Ebene in die modernen Verhältnisse geschickt, wie leicht es die Vortheile des
Eisenbahnwesens sich zuzuwenden gewußt hat. Der Verkehr vou Kecskemet, Nagy-Körös,
Ezegled ist schou obeu berührt worden. Auf deu Tauyas bei Felegyhaza stehen vom
Eintritt des Herbstes angefangen die Geflügelkammern geheizt nnd schon nm Weihnachten
beginnt die Versendung der Vackhühuer bis nach Warschau und St. Petersburg hinaus;
Mouor betreibt deu Geflügelhandel nach Budapest, Üllö versieht die Hauptstadt mit
schlagfähigen Kälbern, die es von weither zusammenkauft. Uud alles dies geschieht nicht
dnrch geschäftliche Unternehmer, Händler oder Agenten, sondern dnrch das Volk selbst,
durch einfache Lente, die keinen anderen Unterricht genossen haben als den der Elementar-
schulen. Dies ist eiu gewichtiger Beweis dafür, welcher Uuteruehmnngssinn, welcher
Handelsgeist im ungarischen Volke steckt, mir daß er so lange keine Gelegenheit hatte, sich
zn entwickeln. Die Ehrlichkeit des Volkes trägt übrigens viel dazu bei, daß dieser
Unternehmungsgeist zur Wohlhabenheit führt.
Die meisten Geschäfte werden mündlich abgemacht und es kann höchstens ein Irrthum
vorkomme», ein Betrng nnr als seltene Ausnahme. Schweinemäster schicken ihre Leute auf
eutlegeue Märkte, um dort Einkäufe auf ihre Rechnung zu machen; Tausende werden ihnen
anvertraut, eine Eontrole ist fast unmöglich, nnd doch geht in diesen Händen kein Groschen
verloren. Lente, die kanm lesen können, kansen zn Hnnderten das Vieh zusammen uud
verrechnen es daheim ans dem Gedächtniß: diese paar jungen Ochsen haben wir so und
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch