Page - 228 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Volume 9
Image of the Page - 228 -
Text of the Page - 228 -
228
so theuer gekauft, diese Kuh um so und so viel. Kommt einmal ein Irrthum vor, so wird
ein gemeinsamer Frennd ersucht, Nichter zu sein, und von seinem Urtheil an ein anderes
zu appelliren, würde für unanständig gelten. In dieser Hinsicht von der Proceßsucht
des ungarischen Volkes zu sprechen, wäre eitles Gerede.
Und der Unternehmungsgeist — der mehr in den Städten, als in den Dörfern
entwickelt ist — befähigt die Leute iu der Regel, stattliche Vermögen zu gründe». Im
Lande zwischen Douau und Theiß finden wir eine Menge Bauern, deren jährliches
Einkommen 10.(XX) Guldeu übersteigt; es kommen sogar welche vor, deren Besitzthnm
eiueu Werth von nahe einer Million darstellt. Aber auch diese uuterscheideu sich weder
iu Kleidung und Sitten, noch in Lebensweise und Ergötzuugeu vom einfachen Ackerbauer.
Das Volk dieser Gegend ist still uud melancholisch von Gemüthsart. Unter
gewöhnlichen Verhältnissen scheut es den Lärm, die laute Lustbarkeit. Zu Hause ist es
wortkarg uud beschränkt sich auf die nothwendigsten Mittheilungen. Nur iu Gesellschaft,
besonders beim Wein, löst sich seine Zunge. Bei Arbeiten, die keinen großen Kraft-
aufwand erfordern und bei denen Viele beisammen sind, z. B. beim Knknrnzschleißen, in
den Ruhepausen beim Pflügen, beim Treten oder bei den feiertäglichen Zusammenkünften,
gestattet mau der Schelmerei freien Lanf. Witz folgt auf Witz uud die Bemerkungen, die
da gemacht werdeu, siud zuweilen erstaunlich treffend. In alledem tritt weniger Humor als
Satire zu Tage. Und trotzdem führt dies mir ausnahmsweise zu Feindschaften, nnr Schwach-
köpfe verstehen keinen Spaß. Die ungestörte Harmonie des Seelenlebens und das ernste
Selbstgefühl sieht man diesem Volke auch äußerlich an. Man müßte lange suchen, um eiu
Volk vou so regelmäßiger Gesichtsbildung und wohl proportiouirtem Wüchse zu finden
wie diese stramm daherschreiteudeu Bursche und offen und ruhig blickenden Mädchen.
Seine Friedhöfe wartet das Volk mit liebevoller Sorge. Zwischen den Gräbern
pflanzt es Laubbäume. Au manchen Orten, z. B. in Nagy-Körös, ist der Friedhof ein
förmlicher Hain. Das protestantische Volk bezeichnet die Gräber mit eigenthümlich geformten,
charakteristischen Holzdenkmälern. Statt des Kreuzes tragen diese oben einen Knopf oder
Stern. Was dieser Schmuck zu bedeuten hat, wäre schwer zu bestimmen. Manchmal
erinnert die Form au einen Kopf im Turban, so daß Viele dabei an einen Überrest aus
der Türkenzeit gedacht haben. In anderen Fällen sieht man eine Art Blnmenknospe,
vielleicht als Symbol der Auferstehung. Am wahrscheinlichsten ist, daß sich in der Form
dieser „stumpfen" Grabmäler der Protestantismus geltend macht, indem er auch hier, wie
aus den Thurmspitzen, statt des Kreuzsymbols die Knopf- oder Sternform vorzieht. Anf
den protestantischen Friedhöfen nimmt diese Denkmalform immer mehr überHand und die
Form ist z. B. in Pilis genau so wie in Nagy-Körös, obgleich dort evangelisches Volk von
slovakischer Abstainmnng wohnt, hier aber reformirtes Volk von urwüchsig magyarischem
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch