Page - 232 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Volume 9
Image of the Page - 232 -
Text of the Page - 232 -
232
Kumauen, Jazygen, Petfchenegen auf einander folgten, bis ihr letzter größter Schwärm am
Ende des XIII. Jahrhunderts sich in Ungarn niederließ, als dieses schon längst ein gefesteter
Staat war. Daß sie bei der Eroberung des Landes große Dienste geleistet, ist schon dadurch
bewiese», daß die kumauischeu Anführer vou Zemplen hinab bis zur Drau und von der
Theiß hinüber bis nach Komorn große und reiche Gebiete angewiesen bekamen. Desto
mehr Sorge brachten dem jungen Staate die später einwandernde» Schwärme. Im osseueu
Kampfe war dieses Völkchen mit dem kahlgeschorenen Schädel oder auch struppigen Schopf-
knote», jedeufalls aber wildem Bart, ein gefährlicher Feind, versöhnt ein uuverläßlicher
Bundesgenoß, gastfrei aufgenommen ein beschwerlicher und mitunter frecher Gast, vor
dem der Hausherr Hab und Gut, Vieh und Weiber, zuletzt sogar seine Könige unausgesetzt
bewachen mußte. Halb christlich, halb heidnisch, nur ans Zelt, nicht au Gruud uud Boden
gebunden, im Sattel schmausend, im Sattel schlafend, zn blutigem Kampf, wen« es keinem
Fremden galt, anch unter sich immerdar bereit, durch seine unbändige Art eine stete Gefahr
für staatliche und gesellschaftliche Sitte, war es ein Gegenstand unaufhörlicher Furcht.
Stets den Magyaren auf den Fersen, ihnen znr Seite oder Ange in Ange mit ihnen,
verläßt es sie keinen Augenblick.
In der Geschichte der Könige aus dem Stamme Ärpäds spielten die Kumanen eine
bedeutende Rolle. Es ist eine Spur vorhanden, daß ihr zweiter Schwärm sich zur Zeit
Stefans des Heiligen im heutigen Groß-Knmauieu niederließ. König Ladislaus der
Heilige führt gegen Ende des XI. Jahrhunderts schwere Kämpfe gegen ihre Häuptlinge
Kapoles und Äkos. Er besiegt sie uud die Überwundenen — der Dichter Tompa hat dieses
Bild anmuthig belebt — kommen heran, um Frieden zu flehen. Sie erbieten sich znr Bnße
an Gut uud Blut, bedingen jedoch, daß der Sieger ihnen die Tracht der Väter — Kittel
nnd Bart — uicht antaste, sonst „werde der Kumane noch eine Schlacht schlagen". Der
König erläßt ihnen Blut- und Geldbuße, gestattet, daß „lang wachse des Kumanen Bart",
und wünscht nur, daß sie ihre Zelte in feste Wohnhäuser verwaudel», zu welchem Zweck
er sie iu das heutige Jazygien verpflanzt; ihr Name was im Deutschen jetzt mit
Jazygen, Jazygier übersetzt wird, stammt keineswegs vou dem Stamme der Jazygen-
Metanasten, sondern von ihrer Kriegswaffe, dem Bogen — daher hüs? —Bogenschütze,
was auch latinisirt ?Iiaretrarii, IZalistaiii, ?kiliswei bedeutet. Jedeufalls ist die Thatsache
ausfallend, daß das heutige Jazygien schon vor der Einwanderung der Ungarn von einem
gleichnamigen Reitervolke bewohnt war und die jazygische Benennung des Gebietes nach
so vielen Wechselfällen sich erhalten hat, wie nicht minder, daß sich der Jazyge nie einen
Knmanen, der Kumane nie einen Jazygen nennt, obwohl sie eine Jurisdiktion bildeten.
Den Neffen des heiligen Königs, Stefan II-, der im oberen Klein-Kumanien
wieder einen neuen Schwärm unter dem Häuptling Tatar aufuimmt (darum, oder
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch