Page - 242 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Volume 9
Image of the Page - 242 -
Text of the Page - 242 -
242
maßgebend betrachtet werden. Es sandte nicht einmal Abgeordnete in den Reichstag
wie die Comitate, obgleich sein Oberkapitän dort einen Sitz hatte, in ebenso stiller und
unthätiger Eigenschaft wie die Abgesandten der königlichen Städte und der Abwesenden!
Desto schöner aber entfaltete sich sein Districts- und Gemeindeleben. Jede Gemeinde,
selbst die kleinste, war ein selbständiges Ortsmnnicipium, mit so ausgedehnten Rechten,
Maßregeln zu ergreisen, ihre Richter und Magistrate mit so umfassender administrativer
nnd richterlicher Besngniß ausgestattet, wie sie in den Comitaten nur den General-
versammlungen und Oberbehördeu zukamen. Seine Bürger sind frei und in ihren Rechten
gleich. Ihre mit dieser Freiheit verbundene Kriegspflicht haben sie stets treu erfüllt,
zuletzt im Türkenkrieg unter Kaiser Josef II. und in den französischen Feldzügen durch ihre
„Insurgenten", von da an durch die Aufstellung des glänzenden Palatinal-Regiments.
Das Regiment der Palatinal-Hnfaren, wie sie es nannten, im blaueu Dolmäny mit
silberner Verschnürung, war stets eine Perle des königlichen Heeres. Es bestand aus
jazygisch-knmanischen Burschen, und wenn rühmend gesagt wird, daß der Magyare den
Kriegsdienst nicht scheut, so darf hinzugefügt werden: der Jazygo-Knmane scheut ihn am
allerwenigsten.
Mit seiner Freiheit war auch die Abgabefreiheit verbuuden. Außer einer geringen
königlichen Stener trug es keinerlei Lasten, Gemeindelasten schon gar nicht, denn jede
Gemeinde konnte ihre Verwaltnngskosten reichlich aus den Regalien und den Einkünften
der Maierhöfe und Viehweiden bestreiten. Auch die Kosten der Distrietsverwaltnng konnten
völlig gedeckt werden durch die beiden ungeheuren Pnszten Paka und Merges .
Dies ist die Geschichte der Ablösung der Jazygo-Kumanier, oder, wie sie es zur
Vermeidung von Mißverständnissen in verständlicherem Latein zu nennen pflegen: ihrer
„Redemtion". Ja, die Redemtion! Sie ist die Grundlage des Selbstgefühls des Jazygo-
Knmanen; hinge es nur von ihm ab, so würde er vielleicht selbst die Zeitrechnung mit ihr
beginnen. Auf alle Fälle hat er die hundertjährige Feier seiner Freiheit im Jahre 1845
unter allgemeinem Jubel, mit Glanz uud Pracht begangen.
Eine Aristokratie war, wie schon erwähnt, nicht vorhanden. Den Mangel einer
solchen ersetzte das Volk und ersetzt es noch heute auf anderem Wege. Vielleicht nirgends im
Lande sind die Mittelschulen so dicht gesät wie in Jazygo-Kumanien — eine auf
10 Quadratmeilen und ZO.OOO Einwohner. Felegyhäza, Halas, Karezag, Kisnjszälläs,
Kun-Szent-Miklös, Jäszbereny und in früherer Zeit auch noch andereStädte besaßen sechs-
elassige Gymnasien, und obgleich scheinbar kein Volk der Welt eine gründlichere Verachtung
als der Kumaue für jeden Menschen hat, der nicht von seiner Hände Arbeit oder vom
Ertrag seines Vermögens lebt, so gibt es doch unter diesen „wohlgeboreneu Herren" genng
solche, denen nur die Zuuge gelöst zu werden braucht, um in der Sprache des Pelronius
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch