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Dort genießen die Kühle unter Alföld-Cypressen (l'amarix) und zwischen Natron-
seen die anekdotenlustigen alten Herren von Knn-Szent-Miklös und seine berittenen
Bursche, tauz- und schlittschuhfrohen Mädchen. In seinem Archiv befindet sich das viel
umstrittene „kumauische Vaterunser", das sich schließlich als tatarisch herausgestellt hat;
auf seinem castrnmartigen alten Friedhof ragt noch nneröffnet ein „Kumanen-Hügel"
empor, das Werk von Menschenhand. Sein gut eingerichtetes Gymnasium gedeiht im
Schatten der großen Kirche wie ein junges Mädchen unter den mütterlichen Augen;
seiue reiche Sparcasse erhebt mit protestireudem Trotz ihre Stirn gegen die bösen Zungen
des Neides, der einst den Geldmangel dieser Stadt in Sprichwörtern und Anekdoten
verspottet hat. Längs der Eisenbahn, welche die Gemarkung der Stadt schneidet, erhebt
sich auf gut cultivirten Großgrundbesitzen eine Reihe von Herrenhäusern, Villen, Castellen,
alle im Laufe dieses Jahrzehnts gebaut: das des Herzogs von Cobnrg auf Puszta Apaj
am Rande seines 10.000 Joch großen, durch ansehnliche Rohrteiche zerrissenen Gebietes;
das der Familie Hajos mit großer Investition und die Hajos-Insel von Dömsöd mit ihren
Anlagen und Hainen; das des Anastasins Tomory mit seinen treu gehegten Vörösmarty-
Neliqnien und seiner ehernen Apollo-Statue. Weiterhin ein Castell des Grafen Ferdinand
Nemes, dessen Thurm und Säle der Künstlerpinsel der Gräfin mit lieben Gestalten und
lebhaften Scenen geschmückt hat, während an der Südfront der Graf den Wintergarten
mit tausend Blumen bevölkerte und in den Stallnngen neben dem Park Racepserde ihre
rastlosen Köpfe schütteln und stolze, aber zahme Fohlen in den für ihre Munterkeit viel
zu engen Schranken des Rasens nmhergaloppiren, mit Hellem Gewieher als Antwort auf
den scharfen Pfiff der vorbeihastenden Locomotive.
Der reisende Fremdling sieht mit Vergnügen die Gebäude aus diesen schattigen
Pflanzungen hervorblinken zwischen Blumenbeeten und Weizenfeldern; dann wieder streift
sein Blick die zwischen die Seen hineingebreitete Stadt und er fragt bedauernd: „wovon
wird denn da gelebt?" Der vergoldete Wetterhahn auf dem Kupferhelm des Thurmes
versteht die Frage und wendet sich mit einem Flügelwippen auf einer Ferse, daß er
gegen Südwest schaut. „Sei unbesorgt um uns, guter Fremdling; unser Gebiet erstreckt
sich weit über die Seen hinaus, weiter als Dein oder mein Auge reichen kann, tief hinein
in jene größte Pnsztafläche des Landes, auf dessen 60 Quadratmeilen großer Tafel,
zwischen Czegled und Felegyhäza, Halas und Knn-Szent-Miklös, nicht Dorf noch Stadt
zu sehen ist, sondern nichts als Tanyas. Da gehört uns das farnnährende Szank, das
alte Orgoväny, während wir uns mit anderen jazygisch-knmanischen Vettern in das gras-
reiche Kerekegyhaza theilen. Auf unserem nahezu 400 Quadratkilometer große» Besitz,
dessen Hälfte noch keinen Pflug und keine Jngenienrskette keimt, zeigen sich abwechselnd
unfruchtbare Natronsalze und sodahältiger Lehm, der den Stahlweizen hervorbringt, das
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch