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ganze Kette von 10, 20, 30, 40 nnd mehr Vögeln sich sachte, behutsam niedersenkt. Ans eine
gewisse Höhe herabgelangt, löst sich der Keil ans und der Schwärm zerstreut sich iu weiten
Kreisflügen, um die Gegend zwei- oder dreimal zu durchmustern, ob sie uichts Verdächtiges
enthalte. Es dauert lange, bis sie sich beruhigt haben; nun ahnen sie keine Gefahr nnd
fliegen in stets kleineren Kreisen immer näher an jene kleine, seichte Sodatümpel, in
welchem die Nacht zu verbringen sie nnter vielem Rnsen uud Schreien beschlossen haben.
Sobald sie sich in den Tümpel niedergelassen und ihr gewohntes Spiel begonnen haben, —
sie pflegen bei dieser Gelegenheit Steinchen nnd Erdklößchen in die Luft zu werfen und
damit eine zeitlang Ball zu spielen, — da nähern sich auch die niedergeduckteu Jäger und
beginnen auf allen Vieren gegen den Wind zu kriechen, damit nicht dieser den Kranichen
irgend eiu Geräusch oder die Witterung zutrage. Sobald es ihnen gelungen, an eine günstige
Stelle vorzukriecheu, machen sie daselbst Halt und bleiben liegen, geduldig lasse» sie den
wüthenden Ansturm der Stechmückenschwärme über sich ergehen, bis es endlich ganz Abend
wird und die Sterne erscheinen. Jetzt setzen sie sich abermals in Bewegung, indem sie sich
genau den Steril merken, in dessen Richtung die Kraniche sich niedergelassen haben; auf
diesen Puukt los wird uuu weitergekrochen, noch vorsichtiger als zuvor, bis man in Schuß-
weite gelangt. Ist die Nacht schön und klar, so daß der Kranichschwarm aus dem luftigeu
Grau hervordunkelt, dann wird sofort geschossen und die Jagd ist zu Ende; ist es aber
ganz dunkel und sieht man blos den Spiegel des Tümpels aufblinken, dann wird Halt
gemacht und in tiefster Stille so lange anf dem Bauche gelegen, bis der Tag zn grauen
beginnt uud aus dem Halbschatten der Dämmerung der duukle Umriß des Krauich-
schwarmes sich entwickelt. Nun berührt der Anführer der Jäger, der gewöhnlich in der
Mitte liegt, ohne ein Wort zu sageu, mit den Ellbogen die neben ihm Liegenden und
diese wieder ihre Nachbarn, worauf alle in tiefster Stille sich auf die Ellbogeu erheben
und mit deu fchou vorher gespannten Gewehren die Kranichgrnppe aufs Koru nehmen.
Der cutscheidende Augenblick ist da, und sobald der Anführer glaubt, daß seine Genossen
bereit sind, ruft er laut: „Na!" Auf dieses Wort beginnt die Kranichschar sich zu lösen,
aber schon knallen auch die stark geladenen Gewehre los nnd schmettern die herrlichen
Vögel über den Haufen. Manchmal verursacht ein solches Pelotonfener ein förmliches
Blutbad, und es ist schon vorgekommen, daß ans einem Kranichschwarm von 17 Stück
kein einziges sich rettete. Der Kranich pflegt in dreierlei Gruppen zn schlafen, nämlich:
entweder der ganze Schwärm in einer einzige» dichte» Gruppe oder iu zwei bis drei
kleinere Gruppen vertheilt oder endlich einzeln in einer Reihe stehend; immer aber wacht
ci»er und der andere, und während die Masse, den Kopf unter den Flügel gesteckt, unter
eigenthümlichem Schnarchen und Schnaufen schläft, stehen diese Wächter mit hochgehaltenem
Halse eifrig lauschend da, um anf das geringste verdächtige Geräusch ihre Geuosseu mit
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch