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Seitdem sich die Verkehrsmittel derart gemehrt haben, daß fast jede große Gemeinde
in Bekes eine leicht erreichbare Bahnstation in der Nähe hat, geht es auch mit dem
Handel gut vorwärts. Die Flüsse, deren Überschwemmungen alljährlich vielen Schade»
anrichteten, sind meist schon regulirt uud zum Theil mit Kanälen (wie die Hosszusoker-,
Hatär-, Gyepes- uud Körös-Kauäle) versehen, was sowohl die Abfuhr der Gewässer, als
auch die laudwirthschastliche Berieselung in wüuscheuswerther Weise befördert.
Unter solcheu Verhältnisse» erfreut sich das Landvolk eiuer allgemeinen Wohlfahrt.
Durch sparsames und sittliches Leben sind viele so reich geworden, daß die Größe ihres
Einkommens in gar keinem Verhältniß zu ihren geringen Bedürfnissen und ihrem
bescheidenen Bildungsgrade steht. Das ist die sogeuauute Bauernaristokratie, die den
städtisch gekleideten Mann von Bildung, wenn er vermögenslos ist, geringschätzt. Im
Ganzen und Großen ist es auch der Landmann, für den die meiste» Gewerbsleute
arbeiten, für den die meisten Beamten da sind, dessen Prodncte zu verwerthe» und dessen
Bedürfnisse zu deckeu die meisten Kaufleute suche« müssen. Darum bekuudet der Laudma»»
im Bekeser Comitate viel Selbstgefühl, Stolz, ja in mancher Hinsicht anch Hochmuth.
Das Hauptziel seines Ehrgeizes ist der Landerwerb und daneben die amtliche Stellung,
besonders die eines Gemeinderichters oder Kirchen Cnrators.
Der Mann von Bekes hält sehr auf Anständigkeit und Billigkeit, er ehrt seine
Obrigkeiten, besonders den Geistlichen, Lehrer nnd Notar. Aber anch dem Fremden erweist
er Ehre. Gastlichkeit und freundschaftlicher Verkehr liegen in seiner Natur. In dieser
Hinsicht ist auch der Unterschied der Nationalitäten kein Hinderniß. Zwischen den ver-
schiedensprachigen Nachbargemeinden hat sich ein herzliches Verhältniß entwickelt und
ihre Bewohner besuchen sich gegenseitig. Die Magyaren schicken ihre Kinder tauschweise
iu slovakisch oder deutsch sprechende Gemeinde», damit sie die Sprachen lerneu, uud ebeuso
gern schicken die Slovaken, Deutschen uud Walacheu ihre Kinder in Tausch oder Dienst
nach magyarischen Orten, nm sie deren Sprache lernen zu lassen. Das Volk sieht die
Nothwendigkeit des Magyarischen so sehr ein, daß es die Staatssprache freiwillig selbst
in seine Schulen und Kirchen als Sprache des Vortrags und der Predigt einführt.
Wie weise und aufgeklärt die Führer des Volkes siud, ersieht man daraus, daß iu
der Bevölkerung des Mkeser Comitats bisher niemals konfessionelle Zwistigkeiten vor-
gekommen sind, selbst nicht in Gemeinden, deren Bewohner verschiedenen Glaubens-
bekenntnissen angehören. Die verhältnißmäßig stärksten Zahlen, und zwar annähernd gleich
hoch weisen die Evangelischeil und Reformirten auf. Jene sind meist Slovaken und
Deutsche, diese durchwegs Magyaren. Die Zahl der Protestanten beider Bekenntnisse
beträgt 170.000, die der Katholiken 50.000, der Griechisch-Nichtnnirten 8.000, der
Juden 7.000. Im Allgemeinen sind die Bewohner körperlich gut entwickelt und langlebig.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch