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das bei dem königlich ungarischen Minister für Cultus uud Unterricht eingereichte
Glaubensbekenntnis; ist in Väsärhely verfaßt worden. In Makö haben die Nazarener
einen eigenen Friedhvf, ja anch ein recht hübsches Versammlungshans. Vor einigen Jahr-
zehnten begann der Nazarenismns sich hier uud da iu besorguißerregeudeiu Maße zu
verbreiten, was die weltlichen und kirchlichen Behörden zum Einschreiten bewog. Diese
Einmischung hatte jedoch eine Wirkung, die der erwarteten geradezu entgegengesetzt war,
so daß man sie schließlich sich selbst überließ. Seitdem ist iu ihrer Ausbreitung ein Still-
stand eingetreten und die Anzahl der Mitglieder hat sogar abgenommen.
Der Comitatssitz von Csongräd ist seit einigen Jahren Szentes, die in neuerer
Zeit zu ungewöhnlicher Blüte gelangte Stadt. Sie hat 31.000 Einwohner, darunter
18.500 Reformirte und 10.500 Römisch-Katholische, während die Übrigen Evangelische
Augsburger Consession, Griechisch-Nichtuuirte, Juden und Nazarener sind. Wie die
Städte des Alsöld im Allgemeinen, hat auch Szentes endloses Ungemach überstanden;
es wurde bald von diesem, bald von jenem Feinde verwüstet und im Laufe der Jahr-
hunderte, soweit nur die geschichtlichen Aufzeichnungen reichen, fünfmal gänzlich vernichtet.
Die außerordentliche Zähigkeit der Einwohner vermochte es jedoch immer wieder vor dem
Untergang zu retteu uud heute ist es auf dem besten Wege, sich biuueu kurzem in die
Reihe der ersten Städte des Alföld emporzuschwingen. Seine Anstrengungen zu diesem
Zwecke siud iu der That bewunderungswürdig; die Bürgerschaft, die sich der Urbarial-
lasten schon geraume Zeit vor 1848 aus eigener Kraft um eine Ablösungssumme von fast
zwei Millionen Gulden entledigt hat, wendet auch jetzt stetig und folgerichtig ungewöhnliche
Sunimen auf, um sich den ununterbrochenen Fortschritt zu sichern; sogar ihre Eisenbahn
hat sie aus eigener Kraft, auf eigene Kosten gebaut.
Die Mehrzahl der Bevölkerung von Szentes, welche die guten Eigenschaften des
magyarischen Stammes in hervorragendem Maße aufweist, befaßt sich hauptsächlich mit
Urproduktion; doch beginnt jetzt anch die Industrie sich gut zu eutwickelu, uud mancher
Gewerbezweig, z. B. die Kunsttischlerei, könnte sich überall sehen lassen. Von vier Dampf-
mühlen arbeiten drei besonders sür den Bedarf der Stadt und ihrer Umgebung, eine aber
führt einen beträchtlichen Theil ihrer Erzeugnisse nach Österreich und den Balkanländern
aus. Ferner gibt es da Ziegeleien und Sägemühlen, welche letzteren das auf der Theiß
herabgeflößte Holz iu großen Mengen verarbeiten. Der ewige Kampf mit dem Wasser
hat hier eine eigenthümliche Volksclasse geschaffen, die sogenannten „Kubikos" (Damm-
arbeiter). Es siud dies Leute von ungewöhnlicher Körperkraft und unglaublicher Ausdauer,
deren Leben ein fortgesetzter Krieg gegen die Überschwemmungen ist. Sie haben jene
staunenerregenden Dämme gebaut, welche sie seither zu schützen und iu Stand zn halten
haben. Bei Tag und Nacht, bei Frost, Hitze nnd Sturm, immer uud überall steht der
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch