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Der Szegediner Bürger ist ein kundiger Landwirth und ausgezeichneter Arbeiter.
Er cultivirt seinen Acker noch besser als der weithin berühmte bulgarische Gärtner. Auf
einem Joch Paprika-Boden gewinnt er etliche hundert Gulden jährlich. Das Jahres-
erträgniß der Paprikacultur wird auf eine halbe Million Gulden geschätzt. Wie die
Leutchen zu sparen wissen, ersieht man daraus, daß die der Unterstadt allein (die eigentliche
Urbevölkerung der Stadt und durch viele kleine Züge von der der Oberstadt verschieden)
l '/z bis 2 Millionen Gulden Einlagen in der Szegediu-Csougrader Sparkasse haben.
Dieses Geld wird nur angetastet, wenn irgendwo Gruud und Boden zu kaufen ist. Denn
selbst die ungeheure Gemarkung der Stadt genügt ihnen nicht mehr, rasch greifen sie
hinüber auf die kumauischen Puszteu. Sie siud so sparsam, daß der Szegediner Bürger
den Luxus beinahe für etwas Unsittliches ansieht. Er hat ein Sprichwort: „Ein Haus mit
Pfauen und Pappeln geht zu Grunde". Dabei aber lebt er ganz gut und führt im Winter
des Sonntags seine Familie sogar ins Theater, wo man nicht selten Bauernmädchen in
Logen sitzen sieht, in einer Reihe mit den Honoratioren der Stadt. Er selbst freilich sitzt
mittlerweile draußen mit dem Herrn Schwager oder Gevatter beim Weinchen, wobei er
seinem Geiste gerne die Richtung „unter den Thurm" gibt, das heißt auf die öffentlichen
Interessen, welche der Magistrat unter dem Thurme des Rathhauses wahrzunehmen pflegt.
Die Theilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten ist herkömmlich. Die wirthschaftlichen
Zustände der Stadt bilden das allgemeine Gespräch, zumal sie ziemlich verwickelter Natur
sind, denn die Behörde verwaltet ihre ungeheuren Liegenschaften theils selbst, theils gibt
sie sie in Pacht.
Der Szegediner ist im Allgemeinen von edlem Charakter, nicht ganz offen, aber
großmüthig, gutherzig und gerecht, zäh, aber nicht halsstarrig, stark und grob, aber nicht
roh. Sein demokratisches Bewußtsein ist aufrichtig, sein Magyarenthum natürlich und frei
von aller Affektation. In der magyarisch-demokratischen Luft der Stadt löst sich jedes
fremdartige Element auf. Der Eingewanderte wird Magyare, der wappenstolze Adelige
bekehrt sich in dieser Umgebung zur bürgerlichen Gesinnung. Und während Szegedin im
Inneren magyarisirt, colonisirt es nach auswärts. Insbesondere magyarisirt es das
Torontaler Eomitat. Vier- bis fünfhundert schwäbische Knaben besuchen jahraus jahrein
die Szegediner Schulen, zumeist „in Tausch", und lernen nicht nur die magyarische
Sprache, sondern athmen auch den nationalen Geist ein.
Der Szegediner Dialect stimmt im Allgemeinen mit dem des Alföld überein. Auch
hier wird statt des mittleren ö ein ö gesprochen, statt des ü und ü am Wortende vielfach
e und a: statt keserü z. B. kesere, statt SÄvanxü savanz^a.
Bei der magyarischen Bevölkerung des ländlichen Gebiets nimmt der Dialect in
jedem Dorfe eine andere Schattirung an, doch immer ohne wesentliche Unterschiede. Mako
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch