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Volksballaden, welche noch ihre Vorfahren mitgebracht haben. Auch ihre Volksmärchen
sind alt. Überdies aber hat noch fast jedes Dorf seine Ortssagen.
Im Winter, wenn die Feldarbeit ruht, werden die meisten Besuche bei Bekannten
und Verwandten gemacht. Bei solchen Gelegenheiten plaudern die Männer rauchend oder
spielen Karten um Geld oder Maiskörner, zuweilen um Bohnen. Die Frauen spinnen und
führen leise Gespräche. An winterlichen Festtagen ist auch eine Schlittenfahrt nach dem
Essen gebräuchlich. Pfeilschnell fliegen dann die feurig schnaubenden Hengste, die mit
jauchzendem jungen Volke beladenen Schlitten dahin. Vor den Häuseru der Bekannten wird
Halt gemacht, um den Schinken uud die geräucherte Wurst zu kosten und die durchfrosteten
Glieder durch ein paar Gläser Heurigen (rämpüs, Rampasch) zu erwärmen.
Im Frühjahr schlägt die Jugend Ball, so lang die Gasse ist, die Kleinen lassen
Drachen steigen, die Frauen setzen sich vor das Haus, die Männer an das „scharfe Eck"
der Gasse. Sonntags gibt es Kegelspiel im'Hofe des großen Wirthshauses. An den
Straßenecken wird große Politik gemacht, wird die hohe Obrigkeit Mann für Mann durch-
gehechelt, werden die Parteien organisirt.
Der südnngarische Deutsche nährt sich im Allgemeinen, sehr gnt, besonders zur Zeit
der Feldarbeit. Bei den bemittelteren Familien wird viermal des Tages gegessen. Kurz
nach der Früharbeit nimmt man das Frühstück ein. Dieses besteht aus schönem Weißbrot,
das im Hause gebacken wird, ferner aus einer kalten Fleischspeise, Käse oder Topfen. Das
Mittagsmahl wird zum Mittagläuten aufgetragen und bietet wohlschmeckende gekochte
Speisen. Beliebte Gerichte sind: „Grnndbirn", Knödel, Topfen- und Milchrahmstrudel,
Nudeln iu der Milch und Brei. Um vier Uhr Nachmittags folgt ein Imbiß von Butterbrot,
Milch oder Speck mit Zwiebeln. Das Nachtmahl wird nm sieben Uhr genommen und
besteht aus warmen Speisen. Als Getränk dient gewöhnlich Wasser oder leichter, im
Eigenbau gewonnener Gartenwein (Heuriger). Rothwein ist beliebter als weißer. Bei
Tische löffelt in der Regel Alles aus der nämlichen Schüssel.
Die Eheschließungen beschränken sich zwar nicht auf eine bestimmte Jahreszeit,
doch finden die meisten Hochzeiten im Fasching statt. Die Trauungen werden in der Regel
Sonntags oder Dienstag Nachmittag vorgenommen.
Wenn der Bursche reif zum Heiraten ist, geben seine Eltern irgend einer Frau deu
Auftrag, ihm bei dem vorher auserwählteu Mädchen die Wege zu ebnen. Die Frau begibt
sich zuerst allein, später mit dem Bräutigam und dessen Vater nebst zwei Zeugen nach
der Wohnung der Braut, wo dann vor Allem die osficiellen Unterhandlungen wegen der
Mitgist der Braut beginnen. Es wird von der Braut eine mindestens so große Mitgift
beansprucht, als das halbe Vermögen des Bräutigams beträgt. Wenn die beiden Theile
handelseins werden, wird sofort die Ceremonie der Verlobung vorgenommen, welche
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch