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Wirthshause, wo die Mädchen des Dorfes bereits in großer Zahl versammelt sind. Sofort
beginnt der Tanz und währt bis Mitternacht, wo der Richter energisch in das Getümmel
hineinruft: „Feierobet!" (Feierabend).
Am folgenden Sonntag Vormittag (hier und da schon Samstag Nachmittag) zieht
das junge Volk unter Schreien, Lärmen und Schießen nach dem Gemeindehause, den
Maibaum zu holen. Unter den Klängen der Musik wird er im Triumph auf die Mitte
des Kirchenplatzes getragen und hier aufgestellt. An der Spitze des Maibaums hängen
ein mit Band und Buschen geschmückter Männerhut, ein seidenes Tuch und eine Flasche
Wein. Dies bildet den Ehrenpreis der Kirchweih. An den Fuß des Maibaums wird ein
großes leeres Faß gerollt, das als Bühne dient. Sobald dies geschehen, zieht die Jugend
mit Musik nach der Kirche, nm die Messe zu hören. Nach dem Gottesdienst begeben sie
sich zum Mittagsmahl nach einem bestimmten Hause und von da nach des Krämers Laden,
wo sie den Rosmarinstrauß mit Bändern von allen Farben aufputzen und sich für den
großen Allszug ordnen.
Es ist mittlerweile später Nachmittag geworden. Groß und Klein der Gemeinde
umdrängt den Maibanm und harrt der Ereignisse. Endlich erschallt die Musik und die
bunte Schar der jauchzenden jungen Leute setzt sich in Marsch nach dem Maibaum. Der
ganze Kirchenplatz ist erfüllt von jungen Leuten und Zuschauern. Wenn der Zug den Mai-
banm erreicht hat, verstummt plötzlich die Musik. Der Anführer der Jugend besteigt das
Faß und beginnt nach dem Tacte der Trommelschläge mit weithinschallender Stimme den
aus Rosmarin gebundenen Ehrenstrauß des Festes zu versteigern. Zuletzt verbleibt der
Buschen dem Meistbietenden Burschen, der ihn der Dame seiner Wahl überreicht. Dies ist
nun das glücklichste Paar im Dorfe, an ihm hängt das Auge der ganzen Gesellschaft,
manches jugendliche Herz widmet ihm heimlich seinen ganzen Neid. Die Beiden aber
kümmern sich jetzt um keinen Menschen, sondern nmtanzen dreimal den breiten runden
Raum, in dem der Maibaum steht und der zum Tanzplatze bestimmt ist. Niemand darf
mittanzen; sie ganz allein haben dieses Recht erworben und werden nun die ganzen
drei Tage hindurch die Hauptrollen des Festes spielen. Und weil sie an allen drei Tagen
den Festtanz beginnen werden, heißt man sie die Vortänzer. Nach den Vortänzern über-
nimmt den Rosmarilistrauß jener Bursche, der als Erster in die Festgesellschaft der Burschen
eingetreten ist; er darf jedoch nicht mehr tanzen, sondern läuft nur ganz allein mit dem
Buschen um den Tanzplatz herum, währeud die übrigen nunmehr, sämmtlich paarweise,
zum Tanz antreten und diesen bis zur Dämmerung fortsetzen. Alsdann durchstreifen sie,
von Musik begleitet, die Gassen nach allen Richtungen und statten der Obrigkeit den Dank
ab für ihre Theilnahme an der Lustbarkeit. Jede obrigkeitliche Person schenkt dem Mädchen,
das den Rosmarinstrauß gewonnen hat, ein bis zwei Gulden. Die Eltern desselben aber
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch