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Gehängen von Goldmünzen überladen. Manches Mädchen trägt ein kleines Vermögen am
Leibe. Ihre Röcke sind aus blauer oder auch anders gefärbter Seide, die Leibchen aus
Sammt von entsprechender Farbe und mit handbreiten Goldspitzen besetzt. Ein gleicher
Besatz ziert das weißseidene Halstuch. Das schöu geflochtene Haar ist rückwärts in einen
stattlichen Knoten gewunden. Die Burschen tragen langschäftige, gefältelte Stiefel, blaue
Tuchhosen uud fpeuferartige Jackeu vou gleicher Farbe oder blaue, auch weichselrothe
Sammtwesteu, unter denen das weiße Hemd hervorguckt. Nach kurzem Gespräch ertöueu die
Melodien des Kolo. Ju der Mitte des Kolo stehen mehrere Dudelsackpfeifer. Die Paare
bilden sich, man faßt sich nm die Taille und tanzt dann im weiten Kreise herum, erust uud
stumm, uur dauu uud wauu einen Blick anf sein Gegenüber werfend. Man tanzt und tauscht
deu Geuosseu so lauge, bis die Herzliebsteu sich glücklich gesuudeu habeu. Ringsum aber
drängen sich die Zuschauer uuter Schäkern und Gelächter. Während des Tanzes erscheinen
die Eltern oder nächsten Verwandten der heiratslustigen Burschen, trete» in die Mitte des
Kolo und suchen für die jungen Leute die Zuküuftigeu aus, die sie ihnen auch gleich verloben,
und zwar dnrch Überreichung eines Apfels, in den eine Gold- oder Silbermünze gesteckt
ist. Bis in den Spätabend hinein währt der Tanz. Die Mädchen, die den Apfel schon
bekommen haben, eilen mit freudestrahlenden Augen zu ihreu Mütter», küssen sie vor
Vergnügen und kehren dann zum Tanze zurück. Der Bursche aber kauft gestickte Pautvffel,
Tücher und andere Geschenke, die er dem Mädchen darbringt. Denn jetzt ist es ihm nicht
nur erlaubt, sondern sogar seine Pflicht, die Erkorene mit Aufmerksamkeiten zu überhäufen.
Und eine Woche später läßt er um ihre Haud anhalten. Liegt der dem Mädchen geschenkte
Apfel zerschnitten auf dem Tische, dauu ist sie schon sein. Sie theilt mit ihm, wie das Symbol
besagt, Freud uud Leid des Daseins. Ist der Apfel ganz, so wird er zurückgegeben und
der Bursche ist abgelehnt.
Mädchenraub (otmiea). — In manchen serbischen Gegenden kommt auch der
Mädchenraub noch vor. Wenn die Dorfjugend sich im Wirthshause zum Tanz versammelt
hat, nehmen fünf oder sechs gute Freunde ein Mädchen aufs Korn, umringen sie plötzlich
nnd rauben sie für einen der Ihrigen. Ist das Mädchen einverstanden, so ist das nicht schwer;
ein Mädchenraub, ohne daß das Mädchen halb und halb miteinverstanden wäre, ist auch
uicht gut deukbar. Die Mädcheuräuber zieheu sich in eine Waldung oder ein anderes Versteck
zurück, wo sie acht Tage bleiben und eineu Geistlichen der Gegend ersnchen, das entflohene
Paar zu trauen. Natürlich gibt sich kein Geistlicher dazu her. Nuu geht Einer zur Familie
des Mädchens heim uud benachrichtigt sie von dem Vorfall. Die Einwilligung wird wohl
nachträglich gegeben, worauf das Paar iu aller Stille zurückkehrt und getraut wird; erhält
mau aber die Eiuwilliguug nicht, so wird das Mädchen nach der Tranerwoche heimgebracht
uud »ran tröstet sich damit, daß sie schon noch später einen Mann finden werde. Schlimmsten
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch