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Die Serben besitzen eine Unzahl solcher Lieder, so daß jedes Mitglied eines noch so
großen Hauses das seine bekommt.
Der nach Pfingsten folgende Sankt Johannistag (Ivan-äün) ist das Fest der
Hirten. Diese verfertigen am Vorabend Fackeln aus Birkenrinde, machen dann mit diesen
die Runde nm die Schaf- und anderen Ställe, und verbreuueu endlich die Fackeln unter
Hirtenspielen. Am Abend vor dem Johannistag zünden sie ein Feuer au, sühreu die Mädchen
hiuaus und lassen sie über das flammende Feuer springen. Diejenige, die den Spruug ohne
Schade» gethan hat, wird als die geschickteste im Auge behalte» und im nächsten Fasching
unter die Haube gebracht. Andere zünden am Feldrain ihr Feuer an uud mache» mit
Feuerbränden die Runde um die Saaten. Noch andere wählen zum Feuerplatz den Wald-
rand oder den Fuß des Berges, tauzeu siugeud den Kolo und tragen den Feuerbraud ins
Haus, vergraben ihn im Garten, den er vor Raupen schützt, oder unter der Saat, von
der er den Kornbrand fernhält. Der St. Johannisabend wird mit Gesang und Kolo
gefeiert. Man zündet Strohhaufen an, singt dazu Freudeugesäuge, tanzt und hüpft und
springt einzeln über die lodernden Flammen. Die wohlriechenden Kräuter, die mau auf
das Feuer legt, vertreiben die Drachen und Teufel, damit sie der Saat nicht durch Wirbel-
stürme schadeu können und die Brunnen und Quellen nicht vergiften. An manchem Orte
wird zu diesen: Zweck durch Verbrennen von Knochen, Mist und Lnmpen ein übelriechender
Qualm erzeugt, der den Teufel vertreiben soll. Auch die mit Kräuzeu uud Glöckcheu
behäugteu Rinder werden an das Feuer herangetrieben, wo man ihnen über den Flammen
das Maul aufreißt, um sie gegeu allerlei Krankheit zu feien. Die Mädchen nmtanzen
das Feuer, welches die Hirten schüren. Wenn das Feuer lange fortbreuut, wohl gar drei
Tage, dann wird das Jahr gut uud bringt anch viele Hochzeiten. Gefuugeu wird unter
anderem das Lied:
Jede serbische Familie hat einen Schutzheiligen, dessen Fest Slava oder
Sveearstvo genannt wird. Am Namenstag des Schutzpatrons (krsno im«) findet in
dem Hause, wo das Fest gefeiert wird, eiu Gastmahl statt, bei dem auch uugeladeue Gäste
ohne weiteres erscheinen und sich zwanglos mit unterhalten. Die Slava ist eines der
Hauptfeste der Serben, nicht lärmend, aber ernst und würdig. Selbst aus großer Ferne
eilen die Familienglieder für diesen Tag nach Hause, um an der Slava theilzunehmen.
Die Slavagäste uehmen, vom Hausherrn aufgefordert, Platz am schön gedeckteil
Tische, auf dem zu Ehren des Schutzheiligen eine Kerze im Kuchen steckt. Der Hausherr
greift zur Flasche uud schenkt jedem Gast ein Gläscheu Pflaumeubrauntweiu eiu, das aber
„St. Johann, hast Blume»,
Deine Nacht ist helle.
Weil vor deinem Antlitz Wir dir Ehr' erweisen.
Sei dn uns recht helle.
Später dann sei dunkel."
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch