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herübergeuommeu haben, ungeschwächt bis auf den heutigen Tag erhalte«. Besteigt mau
am Vorabend des Johannistages eine Aussicht gewährende Stelle in der Nähe von Görz,
so sieht man, sobald die Sonne im fernen Westen untergetaucht ist, auf allen Hügeln uud
Bergspitzeu Feuer emporlodern. Selbst auf Kreuzwegen der Ebene uud Ortsplätzen werden
hohe Stöße Reisig aufgeschichtet, um in Brand gesteckt zu werden, und die uuteruehmeudereu
Bursche, deren Anblick die Herzen der Dorfschönen rascher schlagen macht, springen beherzt
durch die flackernde Lohe. Dieses Schauspiel hat oft ein Vorspiel am vorhergehenden
Abend und wiederholt sich meistens am Johannistag selbst und iu abnehmendem Umfang
an einigen folgenden Abenden.
Der Erwähnung werth sind allenfalls noch die Hochzeitsgebräuche. Am Tage
vor der Vermählung wird die Ausstattung der Braut auf einem mit Ochsen bespannten
Wagen, der nicht ihren Eltern oder Geschwistern angehören darf, durch einen entfernteren
Angehörigen «ach dem Hause des Bräutigams geschafft, damit Alles zum Empfang der
neuen Hausfrau vorbereitet werdeu kaun. Je wohlhabender die Braut, desto höher
thürmen sich auf dem Wage» Betten, Schränke und bunt bemalte oder sonst verzierte
Truhen voll Wäsche, Kleider nnd allerlei Hausrath. Was aber nirgends fehlen darf, ist
eine lebende Henne, welche an der Spitze der Deichsel befestigt wird und wohl als Sinnbild
der erwarteten Fruchtbarkeit gedeutet werdeu kaun. In den Fällen, in welchen eine
Erbtochter heimgeführt wird und der Gatte das Haus seiner Erwählten beziehen soll,
nimmt ein Hahn die Stelle der Henne auf dem Wagen ein, der seine Einrichtuugsstücke
uach dem neuen Wohnsitz überführt. Am Tage der Hochzeit vereinigen sich bei der Braut
einerseits und dem Bräutigam anderseits die Verwandten, Freunde und Gäste des Hauses
uud in jeder der beiden Versammlungen übernehmen je ein lediger Bursche und ein
bereits verheirateter Mann — Brautführer uud Brautvater — die Führung in dem
nun folgenden üblichen Possenspiel. Unter Vorantritt von Spielleuten, fortwährendem
Schießen und heiteren Gesängen ziehen die Genossen des Bräutigams, der sich gauz stille
zu verhalten hat, vor das Haus der Braut. Als weuu man dort ganz unvorbereitet wäre
uud sich die Ursache des Aufzuges nicht zu erkläre» wüßte, empfängt man die Ankommeudeu
mit der Frage, was der Lärm zu bedeuten habe. Die Antwort lautet dahin, daß man eine
Taube suche, die beschrieben wird, indem man der Brant die gröbsten Schmeicheleien
sagt. Da werden nnn aus dem Hause der Braut dem Gefolge des Bräutigams der Reihe
nach die ältesten Frauen vorgeführt, welche jedoch mit nicht immer zarten Scherzreden
zurückgewiesen werden. Im Verlaufe der Verhandlung wird ein Stück von dem Seiden-
zeug vorgewiesen, aus welchem der Anzug der Braut verfertigt ist und den man sich
schon vorher zu verschaffen gewußt hat, uud die Bemerkung daran geknüpft, daß die Flügel
der gesuchten Taube die Farbe dieses Stoffes haben. Nachdem noch kleine Mädchen gezeigt
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Das Küstenland, Volume 10
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Das Küstenland
- Volume
- 10
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.63 x 22.44 cm
- Pages
- 390
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch