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uugemeiu stark unterscheiden. Bei alledem ist das Volksleben im ganzen Lande ein gleich-
artiges, die Städte allein ausgenommen, in welchen die Herrschaft des venetianischen
Cultureinflusses stärker zur Geltung kam.
Das heitere Meer, die steilen und nackten Gebirgshöhen, die prächtigen Golfe, Gestade
und Kesselthäler, der herrlich schimmernde Himmel, die ganze wundersame Natur, der
fortwährende Kampf mit Meer und Winden: dies Alles mußte auf die Charakterbildung
des Volkes den größten Einfluß üben, es beflügelte seine Phantasie, die in zahllosen, zum
Theil herrlichen Liedern Ausdruck findet.
Sowohl der Dalmatiner als die Dalmatinerin singen ohne Unterlaß, denn wer da
singt, denkt nicht auf Böses (tko ne rnisli). Zieht einer allein durch eine einsame
Gegend, so stimmt er ein Lied an: „Sing', Genosse, daß der Berg dich höre — Und im
Berg die Vila goldenhaarig." Zieht er auf eine Hochzeit, so läßt er ein Hochzeitslied
erschallen: „Nach dem Mädchen ich vergeh', o Mutter! — Gib sie mir, auf daß du Guade
findest". Setzt er sich ans Feuer, dann ergreift er die Gnsle (Geige) und läßt ein Helden-
lied, z. B. von Kraljewitfch Marko, erklingen. Beim Gelage in fröhlicher Gesellschaft
muntert er zum Trinken an: „Schande ists zu trinken ohne Singen; — Laß denn, Bruder,
uns eiu Lied anstimmen." So läßt anch die Wasserträgerin ihr Lied ertönen: „Daß ich, ach,
ein kühles Bächlein wäre, — Wüßt ich Junge wohl, wo ich entspränge, — Nah' an meines
Heißgeliebten Hofe;" und die Schäferin, wenn sie ihre Herde zur Weide treibt, singt:
„Ebnes Feld, ich bin dir gram und böse, — Weil mein Liebster über dich hinweg ging!"
So singt auch die Schnitterin und Weinleserin, so der Ochsentreiber und überhaupt Alles
ohne Unterschied, sei es zu Hause, sei es draußen, sei es bei Tag oder des Nachts. Für das
Begräbniß existiren besondere Klagelieder, Volkselegien, in welchen aus dem Munde der
einfachsten Bäuerin solch dichterischer Schwung erklingt, daß Tommaseo sagen konnte, es
liege in ihnen „il piü keconckv tesoro 6i tutte ls linAue".
Ein ganz besonderes Kennzeichen des Dalmatiners ist die Gastfreundschaft; begegnet
er einem Fremden, so entbietet er ihm zuerst seinen Gruß und begleitet ihn, falls jener
des Weges nicht knndig ist, streckenweit. Solange der Gast im Hause weilt, gilt er den
Hausinsassen für etwas Sacrofanetes; Niemand wird ihm da eine Unbill znfügen, ihn
bestehlen oder auch um was immer für einen Preis in der Welt verrathen.
Außer den Bekennern des griechisch-orientalischen Glaubens, die sich selbst Orthodoxe
(pravoslavni) nennen, bekennt sich fast die gefammte übrige Bevölkerung Dalmatiens
zum römisch-katholischen Glauben, an dem der Dalmatiner mit allen Fasern seines Herzens
festhält. Au Sonn- und Feiertagen besucht er gern die Kirche, um der Messe beizuwohnen
und Gottes Wort zu vernehmen; hat er ab und zu keine Gelegenheit, das letztere zu thuu,
dauu meint er, er sei blos bei einer „trockenen Messe" gewesen. Außer der Mutterkirche
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Volume 11
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Dalmatien
- Volume
- 11
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1892
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.54 x 21.83 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch