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jenem an geistigen Fähigkeiten gewiß nicht im mindesten nach, würde er über jene Mittel
verfügen, deren sich der Küstenländer seit jeher erfreute, wie er ja diesen auch an Witz,
Gelenkigkeit und Schnelligkeit, insonderheit aber an Kraft der Rede übertrifft. Der See-
mann, der lange Nächte schweigend auf dem Verdeck seines Schiffes zu verbringen gewohnt
ist nnd stets vor sich hin über die endlose Meeresfläche blickend nur auf die kurzen, oft
einsilbigen Befehle seines Kapitäns zn achten pflegt, ist höchst selten ein guter Redner.
Zieht man überdies in Betracht, daß er in verschiedenen Weltstädten und Häfen ein paar
hundert Fremdwörter aus allen möglichen Sprachen erlernt hat und nothgedrungen in
diesen Sprachen zu radebrechen sich abmüht, dann ist es wohl natürlich, daß darunter die
Reinheit der Muttersprache Einbuße erleidet. Es gilt daher als etwas Außergewöhnliches,
wenn man bei feierlichen Anlässen einen Seemann mit Leichtigkeit eine Rede vom Stapel
lassen hört. Der Gebirgsbewohner hingegen, der über eine reine Sprache ohne fremden
Beisatz verfügt, spricht infolge seiner natürlichen Begabung so bilderreich, ungezwungen und
ausdrucksvoll, daß man meinen möchte, er habe sich seine Rede schon im voraus zusammen-
gestellt und in dieselbe die zahlreichen Tropen und Redefigureu kunstvoll eingeflochten;
trotz des Bilderreichthums enthält seine Rede kein überflüssiges Wort, so daß es eine wahre
Lnst ist, einen solchen Redner etwa vor Gericht sprechen zu hören, vor Allem aber bei
Tisch, wenn er einen Trinkspruch ausbringen soll.
Trotz der erwähnten Geistesfähigkeiten hält der gemeine Mann zäh an alten Vor-
urtheilen und am Aberglauben fest, während der Bewohner des Küstenstriches vvn Tag
zu Tag mehr davon abläßt. Wie bei den übrigen Slaven glaubt auch hier das Volk an
Vampyre, Alpe, Hexen, Hausgeister uud dergleichen und läßt sich gerne wahrsagen,
besonders zu Weihnachten und am Tag des krstno ime aus dem Schulterblatt eines
gebratenen Schafes. Auch in Erkrankungsfällen vertraut sich das Volk lieber einem Zauberer
oder alten Weibern als einem Arzt an.
Die Stadt Cattaro ausgenommen, ist die Ernährung der Bevölkerung, auch bei
vermögenden Leuten, höchst einfach. Die pünktlich zur Mittagsstunde eingenommene Haupt-
mahlzeit besteht gewöhnlich ans Suppe, uoch lieber aus Reis und gesottenem Fleisch!
ebenso einfach ist die Abendmahlzeit, die aus Gemüse und Fischen besteht. Sowohl beim
Mittagsmahl als zum Vesperbrot wird uie reiner, sondern stets mit Wasser gemischter
Wein getrunken. Die Nahrung des Landmanns ist noch einfacher, denn abgesehen von dem
Fleisch, welches ihm ein oder zwei zu Hause gefütterte Schweiue liefern und wovon er
überdies die Schinken zu verkaufen genöthigt ist, um die Steuern zu bezahlen, genießt er
Fleischspeisen niemals, außer zu Weihnachten, an seinem Xrstno ime-Tag und zu Ostern.
Er ist daher während des ganzen Jahres auf Gemüse, Hülsenfrüchte und Kartoffeln
angewiesen. Die Hirten trinken, Festlichkeiten ausgenommen, nur Wasser; Trunkenheit
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Volume 11
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Dalmatien
- Volume
- 11
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1892
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.54 x 21.83 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch