Page - 189 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Dalmatien, Volume 11
Image of the Page - 189 -
Text of the Page - 189 -
189
ist wenigstens in Dörfern und Marktslecken eine seltene Erscheinung. Eine Folge dieser
Nüchternheit und Mäßigkeit ist die musterhafte Sittlichkeit, insbesondere des weiblichen
Geschlechts. Selbst der Mädchenraub, der übrigens immer mehr im Schwinden begriffen
ist, kann nicht dagegen angeführt werden, denn der Entführer übergibt das geraubte
Mädcheu seiner Mutter, welche es bis zur Hochzeit wie ihre leibliche Tochter hütet.
Der Bocchese hält im Allgemeinen gern und zähe an seinen Gewohnheiten und alten
Bräuchen fest. Wen« der Bewohner des Küstenstrichs die heimische Tracht mit fremder
vertauscht, so ist dies eine Folge überhandnehmender Armuth. Die Nationaltracht ist
übrigens nicht nur höchst theuer, sondern auch für das Seemannsleben höchst ungeschickt.
Solange die Schiffahrt noch blühte und der Seemann Geld im Überfluß hatte, besaß er
gewöhnlich zwei Gattungen von Kleidern. Aus dem Schiff trug er gewöhnlich italienisches
Costüm, zu Hause aber holte er wieder die uatiouale Kleidung hervor. Seine Armnth
erlaubt ihm jedoch heute das nicht mehr.
Der Bocchese ist ein geborener Seemann. Er befährt das Meer gewöhnlich von
seinem zwölften und häufig bis iu sein siebenzigstes Jahr. Durch deu Versall der Segel-
schiffahrt sind die Bocchesen verarmt. Die Handvvll fruchtbarer Erde am Fuße der hohen
Berge wird vom Seemann nur mit Widerwillen bearbeitet. Ein gutes Drittel derselben
liegt brach oder ist mit alten, verkrüppelten Oliven bewachsen, nnr selten wird es
nmgegraben, noch seltener gedüngt. Der Seemann wandert lieber nach Amerika oder
Australien aus oder verdingt sich beim österreichisch-ungarischen Lloyd. Beides ist für die
Boeche vom Übel. Von jenen kehren nur wenige in die Heimat zurück, diese aber heiraten
in Trieft, Coustantinopel oder anderswo und werden von ihren an die Annehmlichkeiten
großer Städte gewohnten Weibern in der Fremde zurückgehalten. Die Folge davon ist der
täglich zunehmende Ruin der Bocche; schöne, behagliche Wohnhäuser stehen entweder leer
oder ihre Dächer versallen: einst waren sie gnt bevölkert, jetzt bieten sie einen überaus
betrübenden Anblick.
Dazu gesellt sich noch ein anderes Übel. So lange sich der Bocchese in der Welt
hernintummelt, ist er arbeitsam, unternehmend und sparsam; sobald er jedoch heimkehrt,
schwindet die Unternehmungslust, durch die er sich in der Fremde so sehr hervorgethan.
Zeigt sich Aussicht aus ein kleines Handelsgeschäft, anf eine öffentliche Arbeit oder einen
Pacht, so greift nicht er darnach aus, sondern überläßt dies dem fremden Einwanderer,
der mit leerer Hand dahergekommen ist nnd sich durch Fleiß und Emsigkeit in verhältniß-
mäßig kurzer Zeit ein Vermögen erwirbt. Seine erste Sorge ist jetzt vielmehr darauf
gerichtet, ein hübsches Schifflein zu erwerben nnd es mit Segeln auszurüsten, denn in
seinen» Busen ist noch nicht gänzlich das Verlangen nach dem Kampfe mit jenem Element
erloschen, anf welchem er den größten Theil seines Lebens verbracht hat. Wie verjüngt
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Volume 11
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Dalmatien
- Volume
- 11
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1892
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.54 x 21.83 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch