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darin die bedeutendste Rolle. Am bekanntesten ist seine „Judith", ein historisch-episches
Gedicht in zwölssilbigen Versen mit der Cäsur in der Mitte uud mit Doppelreim. Dieser
schwerfälligen Versform bedienten sich auch die späteren Dichter mit Vorliebe. Als
Begründer der eigentlich ragusanischen Literatur werdeu Sisko Mencetic und Gjore
Drzic angesehen, obwohl ihre Poesie vou der ihrer Nachfolger in der künstlichen Form
ganz abweicht. Sie waren nämlich beide Vertreter jener Liebespoesie, die von den
proven^alischen Troubadours begründet ward und die Gottes- und Frauenverehrung
zum Gegenstand hatte. Einige ihrer Dichtungen erinnern auch an das serbischkroatische
Volkslied. Sowohl Marulics als Mencetics und Drzics Wirken fällt in das Ende des
X V. Jahrhunderts. Demselben Jahrhundert durch einen guten Theil ihres Lebens gehören
auch zwei bedeutende Dichter aus Lesina, Hannibal Lneie und Peter Hektorovi^, an.
Jener verfaßte in früheren Jahren Liebeslieder, die voll jugendlicher Wärme sind, wandte
sich aber später dem Drama und zwar dem nationalen Drama zu. Seine „Robinja"
(die Sclavin) ist das erste originelle serbischkroatische Drama und gefiel so sehr dem
dalmatinischen Volke, daß es noch im vorigen Jahrhundert in den Städten Dalmatiens
öffentlich aufgeführt wurde. Hektorovic erwarb sich den größten Ruhm mit seinem Gedicht
über den Fischfang (,kibui^e i ribarsko priZvvurur^e«), eine Idylle, die er nach den
Regeln der italienischen Fischerecloge dichtete. Dieses Gedicht ist auch dadurch wichtig, daß
der Verfasser iu dasselbe drei echte Volkslieder, die ältesten uns bekannten, mit aufgenommen
hat. Doch der bedeutendste Dichter des XV. Jahrhunderts ist Mavro Vetranie, ein
ragnsanischer Patrizier, der als Abt einem Kloster auf der Insel Meleda vorstand, später
aber mit den Anordnungen der Kirchenbehörde unzufrieden sich in ein Kloster auf dein
einsamen Felseu St. Audreä zurückzog, wo er zwanzig Jahre lang die Lebensweise eines
Anachoreten führte, indem er seine Zeit in das Studium der Classiker und in das
Versemachen theilte und sich zum Zeitvertreib mit Fischfang und Landbau beschäftigte.
Diesen seineu Aufenthalt und seine Lebensweise beschrieb er in dem Gedichte „kismeta"
(der Einsiedler). Auch verfaßte er drei kirchliche Schauspiele, ein großes Gedicht unter dem
Namen ,?eIeZrin' (der Wanderer), worin er die Metamorphosen von Ovid nachahmt,
und viele andere kleine Gedichte; aus dem Italienischen übersetzte er die ,Hekudu* des
Enripides. Vetraniö's Werke zeichnen sich besonders durch Kraft und Reinheit der Diction
aus; in seinen Mysterien zeigt er eine kunstgewandte Darstellung der Charaktere und der
Situationen und aus einigen Einzelnheiten ist zu ersehen, daß er auch Bekanntschaft mit der
Volkspoesie hatte. — Viel fruchtbarer an Dichtern und Schriftstellern als das vorige ist
das XVI. Jahrhundert; dieselben gehören zum größten Theile der Stadt Ragusa an, die
nun schon an der Spitze der literarischen Entwicklung der slavischen Sprache stand und sich
insoferue mit Recht das „südslavische Athen" nennen durfte.
Küstenland und Dalmatien. ili
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Volume 11
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Dalmatien
- Volume
- 11
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1892
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.54 x 21.83 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch