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geeignet, den Beruf zur Banknnst zu wecken. Wenn sich dennoch Leute fanden, die Lnst
und Beruf zu dieser Kunst fühlten, so mnßten sie sich in Ermanglung einheimischer Lehrer
und einer Schule des Baufaches ihre Ausbildung im Auslande erwerben. Es standen
also zur Lösung der jetzt plötzlich so zahlreich anstanchenden architektonischen Ausgaben
keineswegs sonderlich viele Kräfte bereit. Dieser Umstand mag als Erklärnng nnd einige
Entschuldigung dienen angesichts jenes trostlosen, durchaus nicht künstlerischen Durch-
einanders, das die Bauten der Sechziger- und Siebziger-Jahre allgemein kennzeichnet.
Unter den damals aufgetauchten Architekten war Nikolaus Ib l der bedeutendste.
Er hatte kurze Zeit auch unter Michael Pollak gearbeitet und war dann mit einigen
Privatbauten selbständig geworden. Sein erstes öffentliches Bauwerk begann er 1866, es
war dies die im romanischen Stil gebaute Pfarrkirche in der Franzstadt, die er 1879
beendigte. Seine sonstigen bedeutenderen Werke sind folgende öffentliche Gebäude: das
Hauptzollamt (1870 bis 1874), der Burggarteubazar (1874 bis 1880), das Opernhaus
(1875 bis 1884). Nach Joses Hilds Tode übernahm er, seit 1868, anch den Ban der
Leopoldstädter Pfarrkirche, deren Aufbau er, unter Beibehaltung der centralen Anlage
nnd der schon vorhandenen Außenmauern, im Übrigen ganz nach seinen eigenen Plänen
beendigte (1890); er entwarf auch die Pläne zur inneren Einrichtung und Ansschmücknng,
an deren Durchführung ihn jedoch sein Anfang 1891 eingetretener Tod verhinderte.
Erwähnenswerth sind unter seinen Werken noch die Palais des Grafen Alois Kärolyi,
in französischer Renaissance und des Grafen Festetics im Barockstil, sowie der durch
die Freigebigkeit des Pester Ersten inländischen Sparkasse-Vereines auf dem Calvin-
platz erbante Springbrunnen, an dem die Statuen, welche die vier Flüsse des Landes
darstellen, von Leo Fehler gemeißelt wurden. Ib l ist in der prvportionirten Bertheilnng
und Gliederung der Baumassen, was die Hauptbedingung der monumentalen Wirkung
ist, weniger glücklich, dagegen aber im Decorativen ein Meister von feinstem Geschmack.
Infolge der mangelhaften Gliederung ihrer Massen wirken seine öffentlichen Gebäude:
die 95 Meter hohe Kuppel der Leopoldstädter Pfarrkirche, die in Haustein ausgeführte
und prächtig verzierte italienische Renaissaneefa^ade des Opernhauses, das Zollamt und
der gleichfalls reich ausgestattete Burgbazar im Verhältniß zu ihrer Größe nicht groß-
artig genug.
Die unausgesetzte Steigerung der Bauthätigkeit zeitigte nach und nach neue Talente,
die mit echtem Künstlerberufe die Laufbahn des Architekten betraten. Sie stndirten
meistens in Wien oder an den berühmten deutschen Schulen, Mancher in Paris, und Alle
waren bestrebt, sich durch eigene Anschauung etwas von italienischer Baukunst anzueignen.
Dadurch klärte sich der Geschmack und die künstlerische Ausbildung wurde gründlicher,
was sich schon um die Mitte der Siebziger-Jahre geltend zu machen begann und in den
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Volume 12
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (3)
- Volume
- 12
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.49 x 21.91 cm
- Pages
- 626
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch