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will, klettert vollends auf einen Baum. Die Äste der Platanen ringsum sind ganz besetzt
mit jugendlichem Nachwuchs, dem man diesen Genuß wohl neiden, aber nur schwer
verbieten kann.
Und mit diesem volksthümlichen Cirkns beginnt der Volksgarten.
Dieser enthält eine ganze Hänsergruppe, die, als kunterbuntes bauliches Quodlibet
durcheinander gewürfelt, sich unter den Baumkronen festgesetzt hat. Da gibt es kleinere
und größere Theater, in denen Marionetten und auch wirkliche Menschen spielen;
Gespenstertheater mit Spukscenen und magischen Wundern; auch die Bude des obligateu
Hanswurst (Paprika Jaucsi) fehlt uicht. Erst kürzlich ist ein hübsches Kindertheater fertig
geworden. Hier winken lebende Bilder, dargestellt von einer schönen Brünette, welche eine
allzu freigebige Natur mit einem mächtigen Schnurr- und Vollbart geschmückt hat; iu
heftigem Wettbewerb mit ihr steht das Schlangenmädchen, das sich die Hüften mit lebenden
Lon eonstrietors nmgürtet und den Kopf in „weite Krokodilesrachen" steckt; beide aber
übertrifft Miß Magueta, welche, den Kopf nach unten, aus der Mitte der Bühne empor-
tancht und an ihrem eigenen unsichtbaren Magnet frei in der Luft hängen bleibt.
Übrigens ist auch der Hahn mit dem Menschengesicht aller Anerkennung werth. Und wer
etwa die Zukunft erkunden will, dem wird Gelegenheit dazu in einem Zelte, wo eine nacht-
wandelnde Dame in magnetischem Schlafe Jedem das prophezeit, was ihm am liebsten ist.
Will einer im Handumdrehen reich werden, dem sei die Volkslotterie empfohlen. Wünscht
Einer glaubwürdige Daten über seine Körperkraft, so benutze er die Kraftwage in Gestalt
eines großköpsigen Neger-Antomaten, der ans eine Ohrfeige zu fünf Kreuzer genau so
laut ausbrüllt, als die Ohrfeige stark war. Will aber einer sein Sportgenie erproben, so
mag er an den Schießstand treten, wo er sogar Eier, die ans der Spitze eines Wasser--
strahls tanzen, mit der Kugel herunterschießen kann. Wem es um stärkere Leibes-
erschütternngen zu thun ist, der findet eine ganze Reihe von Schaukeln mit Aufschriften,
eine empfindsamer als die andere; kein Wunder, daß da das Stutzerthum, meist zu etwas
Weiblichem gesellt, pärchenweise der Lust fröhnt, durch die Luft zu fliegen und die ewige
Theorie Newtons an sich zu erproben. Ist aber einer znm Seehelden geboren, so mag er sich
lieber gleich nebenan aus die russische Rutschbahn setzen, wo er alle die Empfindungen, die
ein von großen Meereswogen geschaukelter Kahn in der Menschenbrnst erregt, authentisch
nachfühlen wird. Wer endlich den Drang in sich fühlt — liebende Paare thun ja das
meistens — den Tag seines Ausfluges in das Stadtwäldchen noch der späteren Nachwelt
unvergeßlich zu machen, den lockt auf Schritt und Tritt der Augenblicksphotograph, der
für geringes Geld jedes Arm in Arm-Bildniß auf die Gelatineplatte zaubert.
Prosaische Seeleu, am Stoff klebende Wesen verschmähen freilich alle diese Genüsse,
die nnr geschaffen sind, um die höheren Sinne zu reizen, aber auch sie finden da ohne
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Volume 12
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (3)
- Volume
- 12
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.49 x 21.91 cm
- Pages
- 626
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch