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Ringstraßen sind durch die Radien durchschnitten, welche, zum Theil von dem Mittel-
punkte der Stadt ausgehend, in gerader Richtung gegen die verschiedenen Theile des
Landes ausstrahlen. Die Hauptradien sind: die Waitznerstraße, die Andrässystraße, die
Kerepeserstraße, die Üllöerstraße. Diesen entlang laufen noch andere, lange und gerade,
aber schmälere Straßenzüge, gleich Strahlen eines Mittelpunktes zur Stadt hinaus, die
so aus der Höhe betrachtet eine sehr symmetrische Gliederung zeigt.
Die Verwaltung theilt das Ganze in zehn Stadttheile von ungleicher Größe. Drei
davon liegen rechts, sieben links des Stromes. Und diese zehn Bezirke erscheinen, näher
besehen, nicht sowohl wie zehn Stadttheile, als vielmehr wie ebensoviel« besondere Städte,
überaus verschieden durch Sitte, Ursprung, Beschäftigung, Lebensweise, Geschmack und
Bildung. Die Civilisation Budapests hat dort begonnen, wo sie heute endet. In der
nordwestlichen Ecke des Gebiets, rechts der Donau, liegen die ausgegrabenen Überreste
einer todten Stadt: der auf keltischem Boden erbauten römischen Colonie Aqnincnm.
Die Vorfahren der Ungarn ließen sich schon weiter hinein nieder und erbauten das
heutige Alt-Ofen (O-Buda), den jetzigen III. Bezirk. Heute ist dies ein Stadttheil,
aus einem Ghetto hervorgegangen, dem einzigen Ort, wo sich ehedem Juden ansiedeln
durften, denen sich dann Hauervolk zugesellte: Acker- und Weinbauern. Diesen Charakter
zeigt er noch jetzt. Seine Vereinigung mit der Hauptstadt hat diesen Stadttheil der
Gesittung unserer Zeit näher gebracht, in deren Verbände er jetzt steht, ohne aber
einen durchgreifenden umgestaltenden Einfluß erfahren zu haben. Er kommt vorwärts,
wie ein dem Dampfer angehängtes Lastschiff, die Gesetze des Fortschritts theilen sich
ihm mit, weil er mit ihnen verknüpft ist, aber ihm selbst wohnen diese Gesetze nicht
inne. Er athmet noch die Atmosphäre der Provinzstädte, er hat deren Neigungen, Gewohn-
heiten, Sitten und Menschen. Einige Fabriken und die Schiffswerfte der Donan-Dampf-
fchiffahrtsgesellschaft verleihen ihm eine gewisse Wichtigkeit.
Neustift (Buda-Ujlak) heißt die lange Häuserreihe, die gleichfalls noch zum III. Bezirk
gehört und, von Hauern bewohnt, in dörflicher Schlichtheit, gleichsam ein Leben am Weg-
rande führend, Alt-Ofen mit dem II. Bezirk verbindet. Diese Hauer sind deutsche Ansiedler
aus dem vorigen Jahrhundert, welche an den schönen Abhängen des rechten Donau-Ufers
die Überlieferungen des Weinbaues in sich aufgenommen hatten, dort, wo seither der
hochberühmte Ofuer Rothwein wuchs. Jetzt sind die Ofner Weingärten durch die Phylloxera
verheert und mit ihnen auch der Wohlstand der Stammbürger dieses Stadttheils. Diese
Rebenpest hat hier, sowie in anderen Gegenden des Landes, das tägliche Brod der wein-
bauenden Classen so stürmisch angegriffen und so rasch aufgezehrt, daß die Überfallenen
nicht einmal Zeit hatten, nach und nach zu anderen Erwerbsquellen überzugehen und sich
diesen anzupassen. Geplündert stehen sie mm da und erwarten vom Staate ihre Rettung.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Volume 12
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (3)
- Volume
- 12
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.49 x 21.91 cm
- Pages
- 626
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch