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sich diesseits der „Landstraße" die Baumkronen des Kaiserbades und des Lukasbades,
jenseits jedoch, gerade unter der steil abfallenden Bergwand, sieht man, mit einer Stein-
mauer umfaßt, unter freiem Himmel eine der Quellen dieser Bäder, und auf ihrem Spiegel
wiegt sich jeden Sommer in voller Pracht die Wasserlilie, die Kvmpliaea tlisrmnlis.
Diese seltene Blume kommt außerdem nur noch an einer Stelle Ungarns vor, im Teiche
des Bischofsbades bei Großwardein, von wo sie zu Anfang dieses Jahrhunderts durch
Kietaibel, den damaligen berühmten Professor der Botanik an der Pester Universität,
hierher verpflanzt wurde.
Und nun haben wir nur wenige Hundert Schritt bis zur Margarethenbrücke, über
die sich der Pferdebahn- und besonders der Lastwagenverkehr zwischen den beiden
Stadthälften bewegt, und gelangen in die Fortsetzung der Landstraße: in eine lange
gerade Gasse, von der links allerlei Gäßchen zur Donau abzweigen, während rechts
Gassen und Steige, alte und neue Stiegen die Flanken des Festungsberges hinan-
klettern. Hier hat sich der Typus des Osner Bürgers entwickelt. Er sehnt sich nicht nach
gemüthlichem geistigen Genuß und meidet politische Aufregungen, aber lustig ist er und
liebt Wein und Braten, Lied und Tanz, bescheidet sich mit seinen geringen Einkünften und
ist allem Glanz der Verschwendung abhold. Sie sind keine Kaufleute, sondern Krämer,
nicht Industrielle, sondern Handwerker, nicht Grundbesitzer, sondern Ackerbauer, nicht
Hausherren, sondern Hausbesitzer. Sonntag Vormittags gehen sie zur Kirche, Nachmittags
ins Gebirge hinauf mit ihrem Korb voll Imbiß. Die Frau kocht, die Tochter näht, die
Kinder gehen zur Schule. Aber auch mit diesem Osner Idyll ist es in der Wasserstadt
(Vi?i väros) fast schon vorbei, seitdem dort die Ganz'sche Fabrik Eisenbahnräder gießt,
der Rauch der Dampfmühlen die Kirchthürme schwärzt und die stets auf Neuerungen
sinnende „Stadt" das krause Gewühl kleiner Häuschen durchbrochen hat für eine Ring-
straße von der Margarethenbrücke bis zur Generalwiese (Veiir>e?v — Blutfeld), eine
Ofner Ringstraße von palastartigen Zinshäusern nach kleineren Pester Vorbildern, mit
Terraeottazieraten und schmiedeeisernen Baleonen, während die Ruinen der alten Stadt-
mauern Stück um Stück verschwinden. Die dem Strom zugewendete Häuserreihe des
Ufers ist zum Theile neu und großstädtisch. Unser Weg endet am Kettenbrückenplatz, einem
kleinen viereckigen Platz, von wo als Fortsetzung der Brücke ein Tunnel unter dem Festungs-
berg hindurch nach der dahinter liegenden Christinenstadt führt, während rechts bergan die
macadamisirte Albrechtsstraße sich zur Festung hinanwindet, wohin uns auch die links
aufsteigende Dampfseilrampe befördert.
In unserer bisherigen Richtung gelangen wir weiterhin nach der Raizenstadt oder
dem Taban. An den Palästen des Kettenbrückenplatzes vorbei und dem Burgbazar entlang,
der den königlichen Burggarten nach unten abschließt, erreichen wir den Engpaß zwischen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Volume 12
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (3)
- Volume
- 12
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.49 x 21.91 cm
- Pages
- 626
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch