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aufwiesen. Ihre Sprache ist allerdings überschwenglich und tragische Kraft zeigen sie selten.
Seine späteren Trauerspiele jedoch weisen in der Charakterzeichnung, wie im Aufbau der
Handlung einen großen Fortschritt auf, ihre Grundideen sind echt tragisch und wohl-
ersonnen.
Besser gelingen ihm die Lustspiele. Seine ganze Richtung, Stoff, Ton und Sprache
dieser Stücke machen ihn zum Vater des ungarischen Lustspiels. Niemand kannte
damals besser das gesellschaftliche Leben Ungarns, in dem der Dichter so viel umher-
geworfen worden war, dessen Gedanken, Gestalten, Tugenden und Schwächen. Er war der
Erste, der all dies auf die ungarische Bühne brachte. An Vorläufern fehlte es ihm hier
noch mehr als bei den ersten Schauspielen, und dennoch legte er, Dank seiner in jeder
Faser magyarischeu Auffassung und verschiedenen gut gezeichneten Figuren, durch einige
völlig gelungene Stücke den Grund zum ungarischen Lustspiel. Die Erfindungsgabe
Kisfalndys zeigt sich hier am reichsten; seine Typen blieben in verschiedenen Varianten
beinahe ein halbes Jahrhundert lang stehende Figuren des ungarischen Dramas und
Romans. Besonders zwei Typen der ungarischen Gesellschaft zeichnete er ungemein
treffend: den ausläudisch thuenden und dabei hohlköpfigen Magnaten und den allerdings
rohen, aber gutherzigen „Cavalier" aus der Provinz. Ja wir finden in seinen „Empörern"
sogar schon die Elemente des Volksstücks.
Gleichzeitig mit Karl Kisfalndy trat Josef Katona (1792 bis 1830) vor die
Öffentlichkeit, ein hochbegabter junger Dramatiker, der zwar sein Talent nur in einem
einzigen ganz hervorragenden Werke bethätigt hat, dessen „Bäuk-Bäu" jedoch bis auf den
heutigen Tag die beste ungarische Tragödie geblieben ist. Katona war der Sohn eines
armen Webermeisters zu Kecskemet; er stndirte in der Hauptstadt die Rechte, spielte aber
nebenher kleinere Rollen auf der Pester Bühne und träumte von dem doppelten Lorbeer
des Schauspielers und Dramatikers. Nach einigen dramatischen Versuchen, die von Kraft
strotzen und dennoch nur geringen Werth haben, schrieb er um die Mitte der Zehner-Jahre
seinen „Bank-Ban", den er dann nochmals umarbeitete und im Jahre 1821 herausgab.
Die Censur gestattete nur die Drucklegung, nicht die Aufführung. Das Werk machte
übrigens zu jener Zeit auch in der Literatur keinen Eindruck, was den tief verbitterten
und nicht angehörten leidenschaftlichen Dichter ganz verstummen machte. Katona gehörte
keinerlei literarischen Partei oder poetischen Richtung an; er stand vereinzelt unter den
Schriftstellern und hatte auch keine literarischen Freunde, sondern begrub, in Zurück-
gezogenheit lebend, seinen Genius in sich und widmete sich blos seinem Amte als Ober-
fiscal der Stadt Kecskemet, so daß sein Name kaum über die Gemarkungen seiner
heimatlichen Scholle hinausdrang. Unbekannt als Dichter, sank er ins Grab; die Nation
wußte es nicht, daß sie in ihm ihren größten Dramatiker verlor, in demselben Jahre, aber
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Volume 12
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (3)
- Volume
- 12
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.49 x 21.91 cm
- Pages
- 626
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch