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großen deutschen Theaters (9. Februar 1812) übersiedelt sie in die leergewordene Rondella
und arbeitet wacker fort, unter der Direktion von Ladislaus Vida, Alexander Merey,
Stefan Kulesär, unter lebhafter Theilnahme der Männer der Literatur, mit ununter-
brochener moralischer und materieller Unterstützung des Pester Comitats, Dank den immer
günstigeren Verhältnissen auch künstlerisch stetig fortschreitend. Zu dieser Zeit betritt Josef
Katoua, der Dichter des „Bank-Bau", die Laufbahn des dramatischen Schriftstellers. Das
Repertoire wird durch Kaziuczy, Verseghy, Vitkovics, Vida theils mit eigenen, theils mit
übersetzten Stücken versehen; von den Schauspielern schreiben namentlich Benke, Alexins
Andräd, Dery und Frau, Eruyi, Kocsi, Johann A. Läng, Muränyi und Wandza
Originalstücke oder übersetzen und bearbeiten eine Menge ausländischer Dramen, so daß
ihr Repertoire Lessiug, Moliere, Schiller, Goethe, ja selbst schon Shakespeare aufweist.
Durch die achtjährige Thätigkeit dieser Truppe wurde es klar, daß, solange das
ungarische Schauspiel kein eigenes Haus besaß, auch die wärmste Unterstützung nichts
nützen konnte; bei alledem aber hatte ihr stetiger Entwicklungsgang den Erfolg, daß die
Comitate im vollen Maße für den Grundsatz gewonnen wurden, dieses Gebäude, wenn
auch aus öffentlichen Beiträgen, doch von Landeswegen zu errichten, uud sich fortan
unablässig mit der Angelegenheit der Schaubühne befaßten, in dem Sinne, daß in Pest
ein ungarisches Nationaltheater errichtet werde.
Auch diese zweite Schauspieltruppe mußte zwar Pest verlassen, besonders weil die
Abtragung der Rondella sie wieder ihres Heims beraubte, aber sie nahm die Überzeugung
mit sich, durch ihre Wirksamkeit die Sache des geplanten Theaterbaues gefördert zu haben.
Überdies hatte sie auch das Niveau der Schauspielkunst gehoben, ihre Mitglieder hatten
unter dem Einflnße von Paul Szemere und Ladislaus Vida viel gelernt, gearbeitet und
unstreitig große Fortschritte gemacht. Frau Dery, deren ruhmreiche Laufbahn bei dieser
Truppe begann, trat auch schon in kleineren Opern auf uud machte diese Kunstgattung so
beliebt, daß damals fast jeder Schauspieler zugleich Sänger wurde, um das Repertoire
durch Opern anziehender zu machen. Frau Rosa Dery, geborene Szeppataki, erblickte das
Licht der Welt in der Christnacht 1793 zu Jaszbereny. Sie betrat die Bühne frühzeitig
und erregte durch ihr angenehmes Organ, das vom tiefen bis zum hohen k' reichte,
große Aufmerksamkeit. Binnen kurzem war sie, auf der Bühne wie in der Gesellschaft,
der Liebling des Publikums. Bis 1837 wirkte sie bei Wandertruppen, dann kam sie an das
Nationaltheater, das sie jedoch nach einigen Jahren verließ, um theils am Klausenburger
Theater, theils bei Provinztruppen als Gast zu spielen. Überall war sie der belebende
Geist der Truppe, der sie sich anschloß. Außer ihren Gesangsrollen stellte sie auch Figuren
des Lustspiels, ja des Schauspiels trefflich dar. Im Jahre 1852 entsagte sie der Bühne
und starb 1872 zu Miskolcz, wo die allgemeine Pietät ihr ein schönes Grabmal errichtete.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Volume 12
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (3)
- Volume
- 12
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.49 x 21.91 cm
- Pages
- 626
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch