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Beziehungen des Lebens, der Umgebung aufgehen, dehnt sich ihr Gesichtskreis aus und sie
unterscheiden immer neue, immer schönere der Gestaltung würdige Elemente des Malerischen
und Charakteristischen; dieser Proceß hat denn auch nach und nach die naiveren und liebens-
würdigeren, bald rührenden, bald heiteren Züge des Volkslebens zur Geltung gebracht.
Wie anziehend gestaltet sich dieses bei der Feldarbeit des Volkes, in der Berührung mit
der malerischen Thierwelt der Puszteu, bei dem Glockengebimmel der Schasheerden, auf
den Ebenen der Fata Morgana, bei der Tränke der Pferde- und Rinderheerden! Glücklich
der Maler — da ihm weit mehr Zufälligkeiten zu Gebote stehen —, den seine zusammen-
fassenden Studien befähigen, auch diese in ihrer steten Abwechslung so interessante Thier-
welt in den Rahmen seiner Gestaltungen einzubeziehen. So schufen früher, mit Erfolg,
Lotz und Wagner, neuerdings LadislansPataky und mit besonderem Glück Paul Vägö,
der Dauk seiner vielseitigen Ausbildung und einem richtigen Temperament den meisten
Beruf für das Sittenbild rein magyarischen Schlages bekundet. Eine ausgezeichnete
Leistung dieser Art ist sein „Streichquartett" (Wortspiel mit „Ziehquartett"), das mit
unübertrefflicher Naturwahrheit einen vierspännigen Ochsenwagen darstellt, wie er von
Ackerknechten begleitet langsam über die Pnszta dahinzieht. Und welche herzerfreuende
echt magyarische Kraft äußert sich in seinem Bilde: „Lustige Gesellschaft" mit diesen
köstlich angeheiterten Zechkumpanen, die vom Gelage heimkehren, dichtgedrängt auf dem
leichteu Bauernwagen sitzend oder stehend, zur Musik eines armen Teufels von Zigeuner
singend, jauchzend, von Staubwolken umhüllt, die der rasend schnelle Lauf von der Land-
straße emporwirbelt. In jedem seiner Werke läßt er den Beschauer die Gluth oder das
„schmackhafte" Gemüth seines Magyareuthums empfinden, selbst in seinen kleineren
Zeichnungen, deren ja viele als leicht hervorgeflossene Illustrationen auch auf den Blättern
dieses Werkes erschienen sind. Durch scharfe Beobachtung der Bauernwelt hat neuerdings
Alexander B iha r i allgemeine Aufmerksamkeit erregt. Er ist ein hervorragender junger
Künstler, der die ernsten Mittel der Wirkung, aber auch die Würze des echten Humors
besitzt. Gleich mit seinem ersten größeren Werke: „Vor dem Richter" gewann er sich die
Sympathie des Publikums, die Anerkennung der Kunstverständigen. Er zeigt uns da
einen geschädigten Zigeuuer-„Primas", wie er an der Spitze seiner Bande vor dem Dorf-
richter die Trümmer seiner Fiedel vorweist, die der vor das Antlitz des Gesetzes citirte
Bursche bei nächtlichem Zechgelage in wilder Trnnklanne zertrümmert hat. Es ist eine
ungezwungene Gestaltung, in der die Komik der Situation durch das Charakteristische der
Auge in Auge gestellten Hauptfiguren mit außerordentlicher Wirkung zum Ausdruck
gelangt.
Auch Michael Mnnkäcsy hat bekanntlich mit einem ungarischen Genrebilde, den
„Letzten Stunden eines Vernrtheilten", begonnen. In der Gallerie des Nationalmuseums
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Volume 12
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (3)
- Volume
- 12
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.49 x 21.91 cm
- Pages
- 626
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch