Page - 558 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (3), Volume 12
Image of the Page - 558 -
Text of the Page - 558 -
558
starb, von den Bewohnern wie ein Vater beweint. Anch unter Ludwig dem Großen ver-
blich der Glanz der Burg nicht. Er machte zwar im Jahre 1350 Ofen zur Residenz, doch
verbrachte er viel Zeit zu Visegräd, wo er nach seinen Feldzügen gern der Ruhe pflegte.
Mit seinem Tode war auch die Glanzzeit Visegräds vorbei. Unter Sigismuud ging der Ort
so zurück, daß es im Jahre 1412 eines königlichen Erlasses bedürfte, um den Wiederaufbau
der in Trümmern liegenden Häuser zu bewirken. Im Jahre 1440 ließ Königin Elisabeth
von Visegräd durch die Hofdame Helena Kottanerin die uugarifche Krone entwenden, die
sie bei Kaiser Friedrich verpfändete und die dann erst nach dreiundzwanzig Jahren in das
Vaterland zurückgelangte.
Unter König Matthias erwachte Burg Visegräd zu neuem Leben. Wieder wurde die
ungarische Kroue daselbst verwahrt, auch weilte dort der König oft und gern. Der königliche
Palast zu Visegräd war wieder einmal eine europäische Berühmtheit. Nach der Beschreibung
des Erzbischoss Nikolaus Oläh bestand die Stadt damals aus drei Theilen: der ungarischen
Stadt, der deutschen Stadt und der Citadelle. Diese krönte den Gipfel des Berges, nnter
ihr dehnten sich der königliche Palast und die deutsche Stadt aus, die ungarische Stadt
aber war eine entferntere Vorstadt. Der Palast erstreckte sich mit seinen Nebengebäuden
vom Salomonsthnrm bis zum jetzigen Forstamtsgebäude. Der Aufgang dazu von der
Donau her führte in einen geräumigen Hof mit herrlichem Blumengarten, einem
alabasternen Brunueubeckeu und einer auf Marmorsäulen ruhenden Kuppel. Von hier
führten Marmortreppen in den oberen Hof, der noch weit prächtiger war. Der Palast
selbst stand dicht am Fuße des Burgberges und enthielt insgesammt 350 Gemächer, alle
mit Gold und Schnitzereien von seltener Schönheit geschmückt, eine Pracht, wie sie zu jener
Zeit sonst nirgends zu sehen war. Vom Palast gegen den Salomonsthurm hinab zogen
sich hängende Gärten, Bäder und Fischteiche, denen sich außerhalb der Burgmauern
Wildparke, Turnierplätze und Spaziergänge anschlössen. In der deutschen Stadt standen
reihenweise die Paläste der vornehmen Familien (Drugeth, Rozgonyi); dort besand sich
auch die zu Ehren der Jungfrau Maria im gothischen Stil erbaute Pfarrkirche. Die
ungarische Stadt zog sich gegen das Thal des Lepenczbaches hin und hatte eine Sanct
Georgskapelle, an deren Stelle später ein Franciscanerkloster erbaut wurde.
Nach dem Tode des Königs Matthias behielt zwar die Burg noch eine Zeit lang
ihren alten Glanz, als aber nach der Katastrophe von Mohäcs die Türken bis Visegräd
vordrangen, begann sie zu sinken. Von ihrer Besatzung treulos im Stiche gelassen, wurde
sie durch die von Maria Nostra hieher übersiedelten Paulinermönche gegen Solimans
Scharen vertheidigt. Doch nützte dieser Widerstand nicht viel; im Jahre 1544 nahmen
die Türken die Burg, in der fortan zu öfterenmalen türkische und christliche Besatzungen
wechselten. Das letztemal gerieth sie 1683 in Türkenhände, ans denen sie am 18. Juli 1684
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Volume 12
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (3)
- Volume
- 12
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.49 x 21.91 cm
- Pages
- 626
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch