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mit den ihm vorgebauten Sperren aufnehmen, um all sein Geschiebe in das schöne
Etschthal hinauszutragen. Die nach Süden abdachende Bergseite über seinem rechten
Ufer ist sonnig und anmuthig mit weiten, sich von der Tiefe bis zur rauhen Höhe über
Hügel uud Hänge und durch Schluchten ziehenden Rebengeländen und mit Kastanien-
uud Maulbeerbäumen besetzt; quer durch die Mitte führt eine die Ortschaften verbindende
Landstraße, welche sich aber durch mehrere tiefe Seitenthäler ein und aus windet. Die
gegenüberliegende, nach Norden abdachende Thalseite steigt von unten steiler an; lichte
Felder und dunklerer Wald umgibt die einsiedlerisch zerstreuten, durch keine Fahrstraße mit
einander verbundenen Ortschaften. Ein eigenthümlicher Eindruck ist es, den sie machen,
wenn in der Frühe, ehe die Sonne noch vollends aufgegangen, über diesen im Schatten
liegenden Hänsergruppen der Rauch aufsteigt, während die andere Thalseite schon roll
im Licht der Morgensonne glänzt.
Daist die erste größere Ortschaft Verla unter felsiger Höhe; wo ist nur der hoch
darüber liegende Thurm der alten St. Florianskirche von Valternigo, welcher uns schon
lange einladend entgegengewinkt hat? Er ist verschwunden. Aber siehe da, so wie wir
gegen die zweite größere Ortschaft Lisignago kommen, steht er wieder da, jetzt hinter uns
hoch oben und blickt uns noch lange nach, verdrossen, weil wir nicht zu ihm hinaufgestiegen
sind. Es folgt der Hauptort Eembra, unter dem Berge am Rand einer kleinen Berg-
platte gelegen, mit einigen stattlichen Häusern, aber sehr engen Gassen. Hinter dein
nächstfolgenden Dorfe Fav er weitet sich das Thal in der Tiefe ein wenig aus, man blickt
auf die weit zerstreuten Ortschaften der Gemeinde Segonzano, auf ihre einsam und stolz
stehende Kirche, auch auf rauchgraue Trümmer eines ehemaligen Herrenschlosses hinab
und hinüber. Das Thal verengt sich wieder und nimmt den Charakter eines mittleren
Alpenthals an mit Wäldern und Wiesen, während Reben nur noch in geschützten Lagen
vorkommen. Wir stehen schließlich vor einer langen unwegsamen Schlucht und müßten
nun, um uach Fleims zu kommen, rechts oder links rauhe Bergwege betreten.
Der gewöhnliche Eintritt in Fleims, italienisch Val di Fiemme, erfolgt von
Nenmarkt oder Auer unterhalb Bozen aus auf schöner Straße, welche auf die Paßhöhe vou
San Lugano (1.060 Meter) führt und von da in das Fleimfer Thal sich senkt. Es ist ein
herrlich grünes Bergthal, dessen Reichthum Wiese« und weit ausgedehnte, wohl gepflegte
Nadelholzwälder bilden. Fleims war in älterer Zeit eine förmliche, auch von Venedig mit
dem Titel einer „erlauchten Schwester" beehrte Thalrepublik, welche ihre Einrichtungen
auch bewahrte, nachdem sie 1112 in ein gelindes Abhängigkeitsverhältniß vom geistlichen
Fürstenthum Trieut getreten war. Seit dem Anfang unseres Jahrhunderts aber ist es mit
dem kleinen Freistaat zu Ende; gleichwohl dauert in Bezug auf Wälder und Alpen noch ein
engeres Verhältniß der Gemeinden zu einander und so eine Generalgemeinde Fleims fort.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch