Page - 137 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Volume 13
Image of the Page - 137 -
Text of the Page - 137 -
137
gebildet sind. Die landesüblichen Gewohnheiten nahmen auch in den abgelegeneren
Gegenden das römische Gepräge an. So finden wir „Badeln" in abgelegeneren Gegenden,
z. B. Bergfall bei Olang im Pusterthal, schon frühzeitig benützt, indem römische Münzen
in die Heilquelle geworfen erscheinen, wie es im Alterthum Sitte war. Ebenso wurde«
infolge der Einführung des römischen Kalenders die Feste des natürlichen Jahrs nach
römischem Brauch gefeiert, so nn Nonsberg die „Ambarvalien", das heißt Bittgänge, um
den Erntesegen zu erflehen. Als dann das Reich unter den Einfällen der Barbaren zu
leiden begann, fühlte man sich in den Seitenthälern desto sicherer. So hat sich in Enneberg
und Gröden die „ladinisirte" Bevölkerung bis auf den heutigen Tag erhalten. In dem
übrigen Gebiet, das jetzt deutsch spricht, zeigen die zahlreich erhaltenen romanischen Orts-
namen (Pontiggl, Pontlatz, Rungatt, Lavatsch n. s. w.), daß hier seinerzeit auch Alles
„ladinisch" war, nicht nur in Südtirol, sondern auch in Nordtirol und Vorarlberg, worüber
aus späteren Zeiten zum Theil noch literarische Kunde vorliegt. Daran knüpfen die
classischen Studien zur rhätischeu Namen- und Volkskunde von Ludwig Steub an.
So reichen denn in die römische Periode zurück die ethnographischen Verhältnisse
des Landes, wonach das italienisch redende Wälschtirol eine Stellung für sich einnimmt,
während nordwärts davon die „Ladiner" die historischen Repräsentanten der Epoche
sind. Anderseits stammt die Religion des Landes aus der Römerzeit, indem das
Christenthum seit dem IV. Jahrhundert zur Stellung der Reichsreligion gelangte, welche
das Weltreich überlebte und seine Culturbestrebungen fortführte. Die noch später maß-
gebenden kirchlichen Eintheilungeu entsprechen der Reichsorganisation der diocletianisch-
constantinischen Epoche, auf welche demnach die Abgrenzung der Bisthumsprengel von
Curia und Sabiona, die Zntheilnng derselben zu den Metropolitansitzen von Mediolannni
und Aquileja zurückgeht. Auch daß der Ziller bis auf den heutigen Tag die Grenze der
Bisthümer von Brixen und Salzburg bildet, scheint auf den Umstand zurückzuführen,
daß dort einst die Provinzen Rhätien und Norieum aneinanderstießen. Die Weltstellung
des ganzen Gebietes war eine von der im Mittelalter zur Geltung gelangenden ver-
schiedene, weil der Süden, nicht der Norden die Herrschaft ausübte. Der Umschwung
beginnt mit der Emancipation der Provinzen von der Herrschaft Italiens, der Jahr-
hunderte brauchte, bis er greifbare Resultate erzielte. Jedenfalls bilden noch die
Regierungen Odovacars und Theoderichs eine Fortsetzung der weströmischen Kaiserherr-
schaft und uur insofern auf diese Periode Ausiedlungeu germanischer Scharen zurück-
zuführen wären, welche an jener Emancipationsarbeit sich betheiligten, hätte das
„Mittelalter" bereits um diese Zeit begonnen.
Bis dahin rechnen wir die erste Epoche in der Geschichte des Landes, das jetzt
Tirol heißt.
back to the
book Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Volume 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch