Page - 272 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Volume 13
Image of the Page - 272 -
Text of the Page - 272 -
272
vertreiben. An der Spitze des Zuges paradirt hoch zu Roß der Hauptmann. Auf dem
Dorfplatz angelangt, verliest er mit lauter Stimme die Namen jener alten Jungfern, die
„aufgeladen" werden sollen. Sofort stürmen die „Anfleger" in die Häuser, wo die
betreffenden alten Jnngfern wohnen, zerren sie — natürlich nur verkleidete Burschen —
unter endlosem Gelächter der Zuschauer hinter der Hausthür hervor und laden sie trotz
ihres Widerstrebens ans den Wagen. Ist die „Fuhr" voll, so geht es in die Dorfschenke,
wo unter Absingung des bekannten „Sterzingermoosliedes", das die Fahrt dieser alten
Jungfern in höchst drastischer Weise behandelt, der Schwank seinen Abschluß findet.
Beliebte Faschiugsgebrüuche sind auch das „Faschingerreiten" im Zillerthal, wobei
vermummte Burschen beritten das Dorf umziehen und auf dem Dorfplatz den gefürchteten
„Faschingsbrief" verlesen, sowie das „Schleicherlaufen" im Oberinnthal, welches unter
anderm auch Scenen aus dem Leben des Älplers zur Darstellung bringt.
Zu den originellsten Faschingsbräuchen zählt jedenfalls das sogenannte Schellen- oder
Schemenschlagen, ein Vorgang, der mehr den Charakter einer religiösen Fastenceremonie
als den eines Faschingsscherzes trägt. Der Brauch wird fast im ganzen Innthal, auf den
Dörfern des Mittelgebirges von Innsbruck, sowie im Wippthal von den Dorfburschen
geübt. Die „Schemen-" oder „Schellenschlager" tragen saubere weiße Hemden, kurze
schwarze Lederhosen und blühweiße Strümpfe, dazu leichte Bundschuhe. Joppen tragen sie
nicht, statt dieser sind schöne buntfarbige Seidentücher kreuzweise über die Achseln gelegt
und beiderseits au den Hüften befestigt. Die Hüte sind mit Bändern und Federbüscheln
geziert, welche — so will es die Sitte — die Mädchen den Burschen schenken. Das Gesicht
verhüllt ein Tuch oder eine künstliche Holzmaske. Um die Mitte schlingt sich ein Gurt, an
dem rückwärts eine große Schelle befestigt ist, welche bei jeder Vorwärtsbewegung der
„Spieler" anschlägt. Die linke Hand ist in die Seite gestemmt, in der Rechten tragen die
Burschen theils Stöcke, theils grüne Fichtenzweige. Gewöhnlich sind zwölf bis fünfzehn
solche „Schellenschläger" nebst einem „Hauptmann". Das Gehen derselben besteht in einem
eigenthümlichen, in langsamem Takt sich fortbewegenden Hopsen, ähnlich dem pathetischen
Schritt bei theatralischen Krönuugszügen. Hierbei wiegen die Burschen den Körper
abwechselnd nach links und rechts, indem sie zugleich mit ihren Stöcken nach dem Takt
des „Hauptmannes" nach der betreffenden Seite schwenken. Bei jedem Schritt ertönen
einstimmig die Schellen, was von fern wie ein dumpfes regelmäßiges Getöse sich anhört.
So ziehen die „Schellenschlager" ernst und feierlich durch die Dorfgassen, begleitet vom
hellen Jubel der Kinderscharen und dem beifälligen Kopfnicken der Erwachsenen. Ersterer
gilt übrigens meist mehr der faschingsmäßigen Begleitung des ernsten Zuges. Hierzu
gehören vor Allem zwei oder drei mit riesigen Peitschen versehene Masken, welche unter
ohrenbetäubendem Geknalle den Zug umschwirren. Anch das sogenannte Fasserrößl, ein
back to the
book Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Volume 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch